Das Haus in den Dünen
anders«, entgegnete Trevisan.
Der Polizeirat zählte den Countdown für die Einsatzkräfte herunter. Bei Null lösten sich zwei Kleinbusse und ein Streifenwagen aus dem Tross und fuhren an Trevisans Wagen vorbei.
Das Kribbeln in seinem Magen verstärkte sich. Bei solchen Einsätzen, egal wie gut sie geplant waren, blieb immer ein gewisses Restrisiko. Was, wenn die Basedowbrüder ausrasteten und zur Waffe griffen?
Er hatte schon mehr als einmal erlebt, wie so eine Polizeiaktion aus dem Ruder laufen und blutig enden konnte. Unruhig trommelte er mit seinen Fingern auf die Schenkel.
»Wird schon klappen«, sagte Alex und nahm einen Schokoriegel aus der Seitenablage der Fahrertür.
Der Regen hatte aufgehört, aber dunkle Wolken zogen über den Himmel. Trevisans Blick folgte dem Zeiger auf der Uhr neben dem Armaturenbrett. Mit jeder Minute nahm seine Nervosität zu. Er atmete erst auf, als der Funkruf aus dem kleinen Lautsprecher des Funkgeräts kam.
»Gruppe A an alle, Zugriff erfolgt, Festnahme der Zielpersonen ohne Widerstand, das Objekt ist gesichert.«
»Gott sei Dank«, stöhnte Trevisan, als Alex den Wagen startete.
»Fertigmachen, wir rücken vor!«, befahl der Polizeirat über Funk.
Wenige Minuten später bog Alex auf das Gelände des Schrottplatzes ein. Überall standen bunte Fahrzeugwracks herum. Manche waren übereinander gestapelt. Ein großes, schmutziges und altertümlich anmutendes Gebäude stand auf der gegenüberliegenden Seite der Zufahrt. Daneben erhob sich eine hölzerne Fahrzeughalle, in der wohl mehrere Lastwagen Platz gefunden hätten. Alex lenkte den Opel auf einen freien Platz, auf dem bereits drei Polizeiwagen abgestellt worden waren.
»Dann wollen wir mal.« Trevisan öffnete die Tür.
Bevor er sich aus dem Wagen hinausgequält hatte, kam ein uniformierter Kollege im Einsatzanzug mit schusssicherer Weste auf ihn zu. »Wir haben vier Personen festgenommen«, meldete er. »Eine Frau und drei Männer. Eine Person ist Ausländer. Sie befinden sich im Wohngebäude. Die Durchsuchungskräfte beginnen im Wohnhaus.«
Trevisan nickte. Zierl trat neben ihn, den Polizeirat im Schlepptau.
»Sie werden wohl mit den Befragungen beginnen wollen, Herr Trevisan«, sagte der Einsatzleiter. »Unsere Durchsuchungskräfte nehmen sich Stück um Stück vor. Wir arbeiten uns von Osten in Richtung Westen vor. Ich habe das Gelände in Planquadrate unterteilt. So können wir ausschließen, dass wir etwas vergessen.«
»Danke«, antwortete Trevisan, doch der junge Polizeirat eilte bereits davon.
»So sind’s, die Jungen«, scherzte Zierl. »Sie haben Pläne und Konzepte im Kopf und sind ständig auf Achse, aber sie haben keine Zeit. – Wie gehen wir vor?«
Trevisan überlegte. »Ich denke, wir teilen uns auf. Tina übernimmt die Frau und wir kümmern uns um die Brüder.«
»Und wer macht diesen Gehilfen, den Vietnamesen?«
Trevisan schaute verdutzt. »Einen Vietnamesen?«
»Das passt ja«, bemerkte Alex. »Hat Kropp nicht für die vietnamesische Zigarettenmafia geschmuggelt?«
Trevisan atmete tief ein. »Ich glaube, den Kerl heben wir uns für später auf, falls er überhaupt Deutsch kann.«
*
Der Sonnenaufgang tauchte das Land in ein blutig rotes Licht. Nur wenige Wolken zogen am Himmel, der sanfte Wind wehte sie in das Landesinnere. Sie war früh aufgestanden und zum Voslapper Groden hinausgefahren. Den Wagen hatte sie abseits der Straße abgestellt. Sie war ein wenig gelaufen und hatte die Morgenfrische genossen. Jetzt saß sie in der Nähe der Zufahrtstraße zum Ölhafen und wartete.
Sie wartete auf die Wärme des Tages. Trotz der lauen Nacht hatte sie gestern Abend gefroren. Vielleicht nur wegen der Gedanken. Ihr war so viel durch den Kopf gegangen.
Für einen Augenblick hatte sie daran gedacht, einfach wieder nach Hause zu fahren.
Sie hatte in ihrem Tagebuch gelesen, das sie für Jahrzehnte vor allen Augen versteckt gehalten hatte. Dabei waren ihr dann ein paar Worte ihres Vaters in den Sinn gekommen. Nur Fragmente, Vater hatte nie große Worte gemacht. Er war ein leiser Mensch gewesen, still und duldsam. Ihr war nicht viel von ihm in Erinnerung geblieben. Nur einen Satz, den hatte sie nicht vergessen: Wenn du am Anfang stehst und dir vornimmst, einen Weg zu gehen, dann gehe ihn bis zum Ende. Lass dich nicht von deinem Weg abbringen, kehr nicht um, gehe weiter, bis du dein Ziel erreicht hast.
Dieser Satz war so etwas wie ein Lebensmotto für sie geworden. Und heute Morgen hatte sie einen
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