Das Haus in den Dünen
setzte. Sie griff nach der dicken Akte in der Ablage. Mehr als einmal hatte sie in den letzten Tagen darin geblättert, aber ihre Suche nach einem Anhaltspunkt, einem versteckten Hinweis, einem kleinen Puzzleteil, dass ihr weiterhelfen konnte, war vergeblich.
Ein Mann mit viel Zeit, der einen Kleinwagen fuhr, Brandanschläge auf verfallene, alte Gebäude verübte und Bibelzitate zurückließ, die aus den Büchern Mose stammten. Vielleicht ein Geisteskranker, irgend so ein Spinner, dem es eine höllische Freude bereitete, züngelnde Flammen und tanzende Rauchschwaden zu beobachten. Es gab Fälle, die einfach nicht zu lösen waren. Dieser Fall wäre nicht der Erste, der mit dem Aufdruck »Ungeklärt« in der Aktenhaltung verschwinden würde. Doch diesmal würde ihr Name unter dem Vermerk »Sachbearbeitung« stehen. Und das wollte sie nicht auf sich sitzen lassen, schließlich hatte ein Mensch – wenn vielleicht auch durch einen unglücklichen Zufall – sein Leben verloren.
Monika blätterte die Akte durch. Als sie auf den ersten Bibelspruch stieß, hielt sie inne.
Er vertrieb den Menschen und stellte östlich des Gartens von Eden die Cherubim auf und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Baum des Lebens bewachten.
Mit schwarzem Filzstift hatte ein Kollege vom FK 3 auf der Plastikfolie, mit der das Beweisstück eingeschweißt war, Genesis 3.22, 1. Buch Mose vermerkt. Monika lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Die Vertreibung der Menschheit aus dem Paradies … Eva hatte ihr Wort gegenüber Gott gebrochen und Adam hatte Partei für sie ergriffen. Spiegelte diese Geschichte einen Teil des Lebens des Täters wieder? Hatte er selbst ein Versprechen gebrochen oder hatten andere ihr Wort ihm gegenüber nicht gehalten?
Alttestamentarisch, orthodox, jüdisch?
War der Brandstifter gläubig oder waren diese Bibelsprüche nichts weiter als eine falsche Fährte?
Das Klopfen an der Tür riss Monika aus ihren Gedanken. Till Schreier schob seinen Kopf durch den Türspalt. »Hallo, Monika. Was machst du so früh hier? Du siehst müde aus.«
Monika richtete sich auf. »Wir kommen keinen Schritt voran«, seufzte sie. »Wir überprüfen Feuerwehrmänner, erstellen Täterprofile, um sie dann hinterher wieder umzuwerfen. Aber wirklich weiter kommen wir nicht.«
»Ich weiß«, antwortete Till. »Das gestern war ein herber Rückschlag.«
»Hast du noch eine Idee?«
Till setzte sich auf den Schreibtisch. »Ich glaube nach wie vor, dass unser Täter jüdischen Glaubens ist oder sich zumindest mit dem jüdischen Glauben beschäftigt hat. Ich bin dabei, über die Einwohnermeldeämter einen möglichen Personenkreis zu ermitteln. Allerdings ist das nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt habe.«
»Wie willst du denn an eine Liste von Verdächtigen herankommen?«, fragte Monika. »Soviel ich weiß, gibt es keine jüdische Gemeinde in Wilhelmshaven mehr.«
Till nickte. »Aber in Oldenburg. Ich habe gerade mit der Geschäftsstelle telefoniert. Ich habe einen Termin und würde Anne gerne mitnehmen.«
Neue Überprüfungen, wieder die Schuhsohlen ablaufen, ohne einen konkreten Anhaltspunkt … Monika atmete rief ein. Eine bessere Idee hatte sie auch nicht. »Mach weiter, vielleicht bringt es ja sogar was.« Sie erhob sich, ging zum Fenster und warf einen Blick in den trüben Tag. »Hoffentlich hat Trevisan im Osten mehr Glück.«
*
Alex betrachtete nachdenklich den Tankbeleg. Er hatte Günter Basedow befragt, doch auch der schwieg beharrlich. Die Frau, die von den Einsatzkräften festgenommen worden war, hatte sich inzwischen als Lebensgefährtin von Günter Basedow entpuppt. Jenny Kropp, die Schwester der Basedow-Brüder, fehlte. Niemand wusste, wo sie war. Vor einigen Tagen hatte sie das Anwesen verlassen, angeblich, um irgendwo in Deutschland Urlaub zu machen und auszuspannen. Ihr Sohn wurde hier von der Familie versorgt, deshalb hatte Jenny sich schon des Öfteren die Freiheit genommen, für ein paar Tage zu verschwinden.
»Die Lebensgefährtin von Günter Basedow ist sich sicher«, erklärte Tina. »Jenny war drei Tage weg und kam in der Nacht auf den zweiten September zurück. Jetzt ist sie wieder verschwunden. Diesmal mit ihrem eigenen Wagen.«
»Wieso erinnert die Frau sich so genau an die Daten?«, fragte Trevisan.
»Es gab einen großen Ärger, weil sie ohne zu fragen den Wagen von Günter Basedow genommen hat«, erklärte Tina.
»Ich hatte nicht den Eindruck, dass Günter Basedow weiß, dass Kropp tot
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