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Das Haus in den Dünen

Das Haus in den Dünen

Titel: Das Haus in den Dünen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Hölle, aber sie hat uns kein Wort darüber erzählt. Sie hat seine Schläge einfach erduldet. Erst als er sie krankenhausreif geprügelt hat, bekamen wir etwas mit. Ich habe ihn eigenhändig aus der Wohnung geworfen, sonst wäre sie heute noch mit ihm zusammen. Oder er hätte sie längst totgeschlagen.«
    *
    Sie hatte gewartet, bis Willo Brunken in seinem Wagen das Gelände am Ölhafen verlassen hatte. Sie war ihm bis in die Stadt gefolgt. Er war über den Friesendamm nach Wilhelmshaven gefahren und hatte seinen Wagen unterhalb vom Friedrich-Wilhelm-Platz geparkt, bevor er zu Fuß in die Marktstraße gegangen war. In einem Lebensmittelgeschäft hatte er sich Obst gekauft, bevor er in einem Malergeschäft verschwunden war. Sie setzte sich in der Nähe auf eine Bank und wartete.
    Ob er bereits etwas ahnte? Sie hatte mal gehört, dass es immer noch Menschen gab, die eine Gefahr förmlich riechen konnten. Ein Instinkt, den unsere Vorfahren sicherlich besessen hatten, bevor die Evolution voranschritt und sich die Menschheit immer weiter von ihren Wurzeln entfernte.
    Es dauerte beinahe eine halbe Stunde, bis Willo Brunken das Malergeschäft verließ.
    Einen Augenblick lang zögerte sie. Gegen Mittag war die Wolkendecke aufgerissen, und ihr gefiel es, hier auf der Bank zu sitzen und die Sonne zu genießen. Bestimmt würde er jetzt nach Hause fahren und weiter am Kinderzimmer arbeiten.
    Schließlich erhob sie sich und folgte ihm durch die Marktstraße. Sie hielt genügend Abstand, doch so wie er sich gab, war er wohl doch absolut ahnungslos. Eigentlich war er ein ganz netter und stattlicher Kerl geworden. Aber niemand trug seine Sünden offen und für jeden sichtbar.
    Als er in seinen Wagen stieg, blieb sie im Schatten eines alten Baumes stehen. Sie musste ihm nicht weiter folgen. Heute würde sich keine Gelegenheit mehr ergeben. Sie wusste, wo sie ihn finden konnte, wo er sich aufhielt und was er heute noch tun würde. Morgen war auch noch ein Tag. Sie beschloss, zurück in die Fußgängerzone zu gehen und einen Kaffee zu trinken.
    Als der silberne Audi in die Ebertstraße eingebogen war, trat sie aus dem Schatten des Baumes und ging in Richtung Marktstraße. Leute begegneten ihr, die gehetzten Blicke zum Boden geneigt. Niemand kümmerte sich um sie.
    Sie war eine Jägerin und die Jagd hatte längst begonnen.

 
     
15
    Till Schreier spürte einen Hauch Beklommenheit, als er am frühen Nachmittag zusammen mit Anne Jensen von der gestrengen alten Dame über die hölzerne Treppe in das Zimmer im ersten Stock geführt wurde. An dem ehrwürdigen Stadthaus mitten in der Oldenburger Altstadt mit den holzvertäfelten Wänden und dem leicht modrigen Geruch waren die letzten Jahrhunderte nahezu spurlos vorübergegangen. Es wirkte auf Till, als wäre die Zeit stehen geblieben.
    Ein fünfarmiger Kerzenleuchter stand neben einer wurmstichigen Kommode im Flur. Ölgemälde hingen an der Wand, dreimal so groß und wuchtig wie der Kandinsky-Druck in Tills Wohnzimmer. Zweifellos waren diese Bilder ebenso wie die sonstigen Accessoires von unschätzbarem Wert.
    Die Goldbecks waren eine alteingesessene Kaufmannsfamilie, die seit Jahrhunderten in Oldenburg residierte. Nur in der Nazizeit hatten sie dem Land den Rücken gekehrt. Sie waren rechtzeitig in die Schweiz ausgewandert, um dem Morden zu entkommen. Beteiligungen an Bankhäusern, Großhandelsketten und Juweliergeschäften im Norden Deutschlands mehrten den Reichtum der Familie.
    Jakob Goldbeck war Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Oldenburg. »Warten Sie bitte hier!«, sagte die strenge Haushälterin kühl. »Herr Goldbeck wird Sie in Kürze empfangen.«
    Es dauerte nicht lange, bis ein kleiner, glatzköpfiger Mann um die siebzig in einem braunen Anzug und mit hellen, freundlich blickenden Augen das Zimmer durch eine Nebentür betrat.
    Till und Anne erhoben sich.
    »Ah, die Kriminalbeamten aus Wilhelmshaven.« Er küsste Anne charmant die Hand, ehe er Till beinahe ebenso überschwänglich begrüßte. »Was führt die Polizei in mein Haus?«
    Till räusperte sich. »Wir ermitteln in einer Brandserie im näheren Umkreis von Wilhelmshaven und hoffen, dass Sie uns vielleicht weiterhelfen können.«
    Jakob Goldbeck setzte sich in einen Sessel und bot seinen Gästen mit einer Geste ebenfalls Platz an. »Ich?«, fragte er gedehnt. »Warum ausgerechnet ich?«
    Till fasste in seine Jacke und reichte dem alten Mann einen Bogen Papier. »Insgesamt hatten wir bereits zwölf Brände, wobei

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