Das Haus in den Wolken
so richtig bei der Sache war er nicht. Nach einer Weile legte er den Schraubenschlüssel aus der Hand, setzte sich in einen alten Sessel mit kaputten Sprungfedern und versuchte, sich selbst gut zuzureden. Er musste sich verhört oder etwas falsch aufgefasst haben. Seine Eltern hatten sich immer schon gestritten. Seine Mutter konnte doch unmöglich das gemeint haben.
Er ging wieder ins Haus. Es wirkte verlassen, und er fragte sich, ob seine Eltern zu Bett gegangen waren. Dann hörte er aus der Küche ein leises Geräusch und sah seine Mutter dort am Herd stehen. Als sie ihn bemerkte, blickte sie auf. Ihre Augen waren rot und verquollen.
»Philip«, sagte sie und schluckte. »Ich wusste gar nicht, dass du heute Abend kommen wolltest.«
»Ich wollte ein paar Dinge an meinem Motorrad machen.«
»Ich mache mir gerade einen Kakao. Möchtest du auch einen?«
»Nein, danke.« Sie da so stehen zu sehen, machte ihn wütend. »Was ist los, Mama?«
»Nichts, Schatz.«
»Du hast geweint. Und ich habe gehört, wie ihr beide euch angeschrien habt.«
»Es ist nichts«, erwiderte sie knapp. »Gar nichts. Das vergeht wieder.«
Er musste die Frage stellen, auch wenn ihre ganze Haltung ihn davor warnte. »Trifft Dad sich mit einer anderen Frau?«, fragte er und sah, wie sie, mit dem Rücken zu ihm, erstarrte.
»Natürlich nicht. Was für ein schrecklicher Gedanke.« Ihre Stimme war kühl.
Philip hätte ihr gern geglaubt, dennoch sagte er schroff: »Sag mir die Wahrheit, Mama.«
Ein langes Schweigen. Dann ï¬Ã¼sterte sie: »Nein. Er sagt, nein.«
Die Milch kochte über. Philip hob den Topf vom Herd, gab seiner Mutter einen Kuss, verlieà das Haus und fuhr sehr schnell zurück in seine Wohnung.
Richard hatte jede Verfehlung nachdrücklich und voller Wut bestritten. Isabel war schlecht nach dem Streit, und sie hatte so heftige Kopfschmerzen, dass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Sie sehnte sich nach Cornwall und konnte doch London aus Furcht und Misstrauen nicht verlassen. Sie musste ihn sehen, ihn im Auge behalten. Sie musste Gewissheit haben.
Ein paar Tage später hatte die Köchin ihren freien Abend. Da Richard noch nicht zu Hause war, machte Isabel sich einfach ein Omelett zum Abendessen. Sie wusch die Pfanne ab, als sie die Haustür gehen hörte.
Philip trat in die Küche. Sein Haar war zerzaust, seine Augen blitzten zornig. »Er hat dich angelogen, Mama«.
Isabels Herz setzte einen Schlag aus. »Was soll das heiÃen?«
»Dad war heute Nachmittag in der Teefabrik. Als er ging, bin ich ihm mit dem Motorrad gefolgt. Er ist zu einem Laden am Piccadilly Circus gefahren, zu einem Hutladen. Die Rollläden waren heruntergelassen, und an der Tür stand âºGeschlossenâ¹.«
Ihr Herz raste, doch sie erwiderte ruhig: »Philip, ich verstehe nicht. Was sagst du da? Dein Vater hatte wahrscheinlich etwas zu erledigen.«
»Ja klar, sie sind zusammen weggegangen.«
»Sie�«
»Dad und eine Frau. Ich konnte sie nicht besonders gut erkennen, es war dunkel, und sie trug einen Hut mit Schleier. Sie sind in ein Restaurant in der Dover Street gegangen.«
Isabel senkte den Kopf und schloss die Augen. Sie hörte Philip sagen: »Mama? Geht es dir gut, Mama?«, hörte die Angst in seiner Stimme.
Dann veränderte sich sein Ton. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Es kommt alles wieder in Ordnung. Dafür werde ich sorgen.«
Er sah sie ï¬Ã¼chtig mit einem schiefen Lächeln an, dann lief er hinaus. Einen Augenblick später hörte Isabel wieder die Haustür und dann das Motorrad.
Kit hatte eine Skulptur verkauft und spendierte allen eine Runde. Rubys Künstlerfreunde und Arbeitskollegen, die in der Fitzroy Tavern in einer Ecke zusammensaÃen, lieÃen sich nicht lange bitten. Ein junger Mann mit braunen Augen, den Ruby nicht kannte, gesellte sich zu ihnen.
»Ist das ein Privatfest, oder kann ich mitmachen?«
»Oh, wir sind nicht so kleinlich.« Sie rückte ein Stück, um ihm Platz zu machen. »Hallo. Ich bin Ruby Chance.«
»Joe Thursby.«
»Ich habe Sie noch nie hier gesehen.«
»Ich bin gerade erst in London angekommen.« Er hatte einen nordenglischen Akzent.
»Und wie ï¬nden Sie es?«
Er lachte. »GroÃ. Schon ein bisschen erschreckend, wenn man die meiste Zeit seines Lebens in einem
Weitere Kostenlose Bücher