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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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scharf.
    Offensichtlich gekränkt über die Zurückweisung, wandte er sich zum Gehen. Ruby seufzte. »Ich schreibe da etwas«, sagte sie. »Es ist nichts von Bedeutung.«
    Â»Eine Geschichte?«
    Â»Ja. Es geht um eine Büroliebe.«
    Er lachte erfreut. »Dann lass ich dich lieber mal weitermachen.«

    Der erste Kuss führte direkt ins Bett. Elaines Schönheit, das weiche Ebenmaß ihrer Glieder und der fließende Fall ihres platinblonden Haars, weckte bei Philip etwas wie ehrfürchtige Scheu. Seitdem hatten sie sich beinahe täglich gesehen. Wenn Arbeit, Familie oder Freunde ein Treffen verhinderten, telefonierten sie miteinander, Stunden manchmal. Er schrieb ihr jeden Tag. Bevor er ihr begegnet war, hatte er beim kleinsten Dankschreiben verzweifelt am Federhalter gekaut; jetzt flog seine Feder wie von selbst über das Papier.
    Das Wunderbare war, dass es ihr ging wie ihm. Er sah es; er hatte gelernt, die Symptome zu erkennen. Die Sehnsucht nach dem anderen, die Gewissheit, dass der andere einen verstehen würde, ganz gleich, was man sagte. Das Verlangen nach Berührung und Verschmelzung mit dem anderen. Immer noch war ihm ein Rätsel, wie es dazu gekommen, wie aus dem anfänglichen Hass diese starke Zuneigung geworden war. Kleinigkeiten, die nur dem Liebenden auffielen, faszinierten ihn: dass ihre zweite Zehe länger was als ihre große Zehe; dass das Weiße ihrer Augen bläulich schimmerte; dass sie den Daumen so weit abbiegen konnte, dass er die Innenseite ihres Handgelenks berührte. Trafen sich ihre Vorlieben, so war ihm das Bestätigung dafür, dass sie füreinander bestimmt waren; gab es gelegentliche Unterschiede im Geschmack, so fand er sie amüsant.
    Sie erzählte ihm von ihrer Kindheit, deren Höhepunkte Tagesausflüge nach Southend und Picknicks im Park gewesen waren; eine Kindheit, die mit der seinen kaum Ähnlichkeit hatte und die ihm in ihrer Bescheidenheit idyllisch erschien. Keine zwei Generationen zurück waren die Leute aus ihrer Familie noch Landarbeiter in Suffolk gewesen – er stellte sie sich vor, wie sie groß und langgliedrig und hellhaarig mit Sicheln in der Hand auf dem Feld arbeiteten.
    Sie hielten ihre Beziehung geheim, es war eine gemeinsame Entscheidung, über die sie sich nicht groß hatten einigen müssen. Sie gingen in Vorstadtkinos und aßen in unbekannten kleinen Restaurants fern der Stadtmitte. Manchmal lieh sich Philip den Wagen eines Freundes, und sie fuhren aufs Land. Er konnte sich Elaine nicht auf dem Soziussitz des Motorrads vorstellen, mit rotem Gesicht und windzerzaustem Haar. Er wollte sie behüten und beschützen. Aber es war erstaunlich, wie oft einem in einer Großstadt wie London Leute über den Weg liefen, die man kannte – ein Mann, mit dem Philip geschäftlich zu tun hatte, in einem Lokal am Kingsway, ein Freund von Elaines Eltern in der U-Bahn. Zu Beginn erhöhte die Heimlichkeit die Spannung, aber nach einer Weile verlor sie allen Reiz für ihn.
    An einem kühlen, windigen Sonntag Anfang Juni fuhren sie nach Felixstowe Ferry an der Küste von Suffolk und aßen dort im Pub am Dorfanger zu Mittag. Im Speisesaal war für einen so abgelegenen kleinen Ort erstaunlich viel Betrieb. Nach dem Essen machten sie einen Spaziergang zur Debenmündung. Philip hatte den Eindruck, dass ungewöhnlich viele Leute unterwegs waren – Angler in Ölzeug, Segler in Aran-Pullovern und Scharen von tobenden Kindern, die einem ständig in die Quere kamen. Er war nervös und schob immer wieder die Hand in die Tasche, um sich zu vergewissern, dass das Kästchen, das er mitgenommen hatte, noch da war.
    Ein einsamer Maler zeichnete die Segelboote und Fischkutter, die auf der graugrünen See schaukelten. Ein Hund sprang in eine Pfütze und schüttelte sein scheckiges Fell, dass die Wassertropfen flogen. Es war nicht genau das idyllische Plätzchen, das Philip sich erhofft hatte, aber er sagte dennoch: »Wollen wir uns setzen? Da ist eine Bank.«
    Â»Findest du es nicht ein bisschen kalt dafür? Ach, und schau mal, das Schild da oben –« Elaine wies zu einer Holzbude, auf deren Wand in großen Lettern »Frische Fische« stand. »Wir könnten doch zum Abendessen einen Fisch mitnehmen.«
    Sie gingen weiter zu der Fischbude. Nachdem sie ihren Einkauf gemacht hatten, folgten sie einem Fußweg durch Schilf und

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