Das Haus in den Wolken
Sara, in der Hitze ihrer Gespräche gebildet hatte. Sie machte ihnen Butterbrote und Käsetoast und gab denen mit Löchern in den Schuhen immer ein Extrastück Brot.
Sie arbeitete gern im Café, sogar die Fahrt zur Romilly Street machte sie gern. »Das kann nicht sein, Sara«, sagte Ruby. »Wer sich nicht über die U -Bahn beschwert, ist kein richtiger Londoner.« Aber es war so, nicht einmal die Fülle während der StoÃzeiten konnte sie abschrecken, wenn sie eingequetscht war zwischen Männern mit schwarzen Melonen und Stenotypistinnen, die Romane und Strickzeug in ihren Taschen trugen. Sie fuhr auch gern mit den Bussen, wo die Fahrgäste mehr als in der Untergrundbahn zum Gespräch miteinander neigten, und sie ï¬ng manch kleine Einzelheit aus ihrem Leben auf.
An den Wochenenden machten Sara und Ruby die Wohnung sauber, die gröÃer war als Rubys frühere, zwei Zimmer statt nur einem. Wenn sie mit der Hausarbeit fertig waren, gönnten sie sich immer eine Belohnung â eine Tafel Schokolade oder eine Schale Birnen mit Sahne. Im Café wischte Sara die Tische, spülte das Geschirr und putzte den Boden. Das alles war so neu für sie wie die Fahrten mit Bus und Untergrundbahn. Daheim in Hampstead und später in Vernon Court hatten die Dienstmädchen die Hausarbeit erledigt. Sara hatte keine Ahnung gehabt, wie oft ein Regal abgestaubt werden musste, wie man das Parkett wachste oder ein Waschbecken säuberte. Wenn sie jetzt im Café den Boden wischte, sah sie mit Genugtuung die hellen Streifen, die der Schrubber ins schmutzige Linoleum zog, und freute sich am Glanz der Wasserhähne, wenn sie sie mit Zitronensaft gereinigt hatte, wie Frank, der Cafébesitzer, es ihr gezeigt hatte.
Oft kam Edward Carrington nach der Arbeit im Café vorbei. Eines Abends klopfte er sich Schneeï¬ocken von den Schultern, nachdem er eingetreten war. »Brrr, ist das eine Kälte.« Er legte Schal und Hut ab. Nase und Ohren waren gerötet.
»Soll ich dir einen Kaffee machen, Edward?«, fragte Sara. »Und vielleicht einen Käsetoast dazu?«
»Nur Kaffee, bitte. Ich kann nicht lange bleiben. Ich esse mit meiner Mutter zu Abend.« Edward setzte sich an einen Tisch.
Da kaum Gäste da waren, machte Sara zwei Tassen Kaffee und setzte sich zu ihm. »Eine von diesen jungen Frauen hat heute einen süÃen kleinen Pudel mitgebracht«, erzählte sie. »Würde man Kommunisten gar nicht zutrauen, dass sie etwas für Pudel übrighaben, nicht wahr?«
»Ja, die haben eigentlich so etwas Frivoles.« Er rührte Zucker in seinen Kaffee. »Wie geht es dir, Sara?«
»Gut. Und dir?«
»Kleine Erkältung, aber sonst ist alles in Ordnung.«
Sie berührte seine Hand. »Ich wollte dich etwas fragen.«
»Schieà los.«
»Was da in Ãsterreich passiert ist â«
»Du meinst den Anschluss?«
»Ja. Die Besetzung von Ãsterreich durch die Deutschen.«
»In den Zeitungen stand, dass in Wien die StraÃen voller Menschen waren, die die deutschen Truppen willkommen geheiÃen haben. Komische Besetzung.«
»Dann haben die Ãsterreicher also nichts dagegen gehabt?«
»Das kommt darauf an. Die Nazis dort haben die Deutschen sicher mit offenen Armen aufgenommen.«
»Und die Sozialisten?«
»Ganz sicher nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass die eher Angst haben.«
»Angst?«
»Die Nazis haben für die Sozialisten nichts übrig.« Edward warf ihr einen neugierigen Blick zu. »Ich wusste gar nicht, dass du dich für Politik interessierst, Sara.«
»Ich kann ihr hier ja wohl kaum entkommen.« Sie dachte daran, wie nett Edward Carrington immer zu ihr war, und beschloss, sich ihm anzuvertrauen. »Aber das ist es gar nicht. Ich kenne jemanden, der in Wien lebt.«
»Ach so. Und hast du in letzter Zeit von ihr gehört?«
»Von ihm. Es ist ein Mann. Anton. Nein, wir haben keinen Kontakt. Ich habe sehr lange nichts von ihm gehört.«
Edward nieste. »Du Armer«, sagte Sara. »Ich hätte dir einen Tee mit Rum machen sollen statt Kaffee.«
»Ach, es geht schon. Nur der Kopf brummt mir ein bisschen.« Er faltete sein Taschentuch und steckte es wieder ein. »Dieser Bekannte von dir â«
»Anton.«
»Hast du ihn vor deiner Ehe gekannt?«
»Wir waren verliebt.«
»Oh. Aber dann hast du einen anderen
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