Das Haus in den Wolken
kostet eine Menge Geld, Sara. Essen, Kleidung, Schuldgeld⦠Und noch etwas bitte ich dich zu bedenken. Ich dulde keine Scheidung in der Familie. Wenn du hier fortgehst, wirst du Gils Frau bleiben, seine von ihm getrennt lebende Frau. Angenehm wird das bestimmt nicht für dich werden. Verstehst du?«
»Ja«, murmelte sie. »Ja, das ist mir klar.«
»Ich bitte dich auch zu bedenken, was eine Familie wie die unsere einem Kind alles geben kann. Das gesellschaftliche Entree, die Verbindungen, die für David so hilfreich sein werden, wenn er älter wird. Ich möchte nicht grausam sein, aber ich muss dir doch sagen, dass eine alleinlebende Frau in der Gesellschaft ziemlich auÃerhalb steht.«
»Meine gesellschaftliche Stellung ist mir egal«, rief Sara erregt. »Ich hasse das ganze Getue.«
»Aber dein Sohn liegt dir doch am Herzen. Wenn du darauf bestehst, ihn mitzunehmen, raubst du ihm alle Chancen. Er würde unter deiner Ausgrenzung zu leiden haben und zweifellos geringeres Ansehen genieÃen, als wenn er im Kreis der Familie Vernon geblieben wäre.«
Sara starrte Caroline entsetzt an. »Glaubst du das wirklich?«
»Ich weià es. Wenn du David liebst, dann wirst du ihm das ersparen wollen.«
»Natürlich«, ï¬Ã¼sterte sie. »Ja, natürlich.«
»Sara, ich bitte dich, lass David bei uns, in seiner vertrauten Umgebung. Vertrautheit, Geborgenheit sind so wichtig für ein Kind. Ich habe zwei Söhne groÃgezogen â du kannst dich auf mein Urteil verlassen.«
Sara trat ans Fenster. Durch die feinen Regenschleier hindurch konnte sie die Umrisse von Carolines umfriedetem Garten erkennen. Sie sah sich, wie sie den verschlungenen Pfaden zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch folgte. Auf der Suche nach Orientierung, nach einem Hinweis, wohin der Weg führen würde.
David würde unter deiner Ausgrenzung leiden . Sie wusste, dass das stimmte. In der Schule war ein Mädchen mit geschiedenen Eltern gewesen. Es war von seinen Klassenkameradinnen nie ganz akzeptiert worden, hatte immer ein wenig am Rand gestanden, als haftete ihm etwas Anrüchiges an. Die Gesellschaft verzieh denen nicht, die sich über ihre Konventionen hinwegsetzten. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ein König auf seine Krone und sein Land verzichten müssen, weil er sich dazu entschieden hatte, eine geschiedene Frau zu heiraten.
»Denk daran«, fügte Caroline hinzu, »was Vernon Court David zu bieten hat. Er wird hier glücklich sein, dafür werde ich sorgen. Es ist eine so zauberhafte Umgebung für ein Kind. Marcus und Gil hatten eine wunderbare Kindheit.«
Die Umrisse des Gartens verwischten sich. War es der Regen, oder waren es Tränen? Erstickt sagte Sara: »Aber einfach so zu verschwindenâ¦Â«
»Es braucht ja keine Trennung auf Dauer zu sein. Du kannst ihn besuchen, sooft du willst. Weder Gil noch ich werden dir irgendwelche Hindernisse in den Weg legen.«
»Darf er mich in England besuchen?«
»Wenn er das will, natürlich. Und wenn er mit sieben in England zur Schule kommt, wird es für dich ohnehin leichter werden.«
Davids Leben, dachte Sara, war bereits geplant. Es war schon vor seiner Geburt geplant worden â bevor sie und Gil geheiratet hatten, vielleicht sogar schon bevor sie einander begegnet waren. Und eines war gewiss, das erkannte sie mit groÃer Klarheit: Sie konnte nicht bleiben. Vernon Court hatte sie erdrückt, es hatte ihr ihr ganzes Selbstbewusstsein genommen, und wenn sie blieb, würde nichts von ihr übrig bleiben. Wenn sie Gil verlieÃ, würde sie dafür mit der Trennung von ihrem Kind bezahlen. Wenn sie blieb, würde sie dafür mit dem Verlust ihrer Persönlichkeit bezahlen.
Gil zu sagen, dass sie ihn verlassen würde, war nicht viel anders, als sich von jemandem zu verabschieden, mit dem man eine Weile bekannt gewesen war, ohne ihn je wirklich kennenzulernen.
»Du willst weg?«, fragte er erstaunt. »Für immer?«
Sie waren in seinem Arbeitszimmer. Er war hinter seinem Schreibtisch aufgestanden. »Ja«, sagte sie.
»Sara, das ist absurd.«
»Warum sagst du das?«
»Das dürfte auf der Hand liegen.«
»Ich möchte dich nicht verletzen, Gil, aber ich glaube, das wird dir ohnehin nicht auffallen. Ich glaube â ich glaube, nach spätestens einer Woche wirst du kaum noch merken, dass ich weg bin.«
Als
Weitere Kostenlose Bücher