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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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weil Frankreich unbedingt durchhalten muss, das ist klar. Zum anderen, weil es verdammt schlecht aussähe, wenn wir ablehnten und Frankreich unterginge. Das sind Alternativen, wie?«
    Er lächelte, aber man sah ihm die Erschöpfung an. Sie wechselte das Thema. »Du hast immer so köstliches Essen da, Lewis.«
    Â»Theresa schickt es mir korbweise. Ich glaube, sie fühlt sich immer noch für mein leibliches Wohl verantwortlich. Die Sorge um mein seelisches Wohl hat sie schon vor langer Zeit aufgegeben.« Er legte seine Serviette auf den Tisch und stand auf. »Ich muss ins Büro zurück, tut mir leid. Aber bleib du, ja?« Er küsste sie. »Mach dir Kaffee – mach den Wein leer.«
    Als er weg war, ging Ruby in die Küche. Auf der Anrichte stand ein Glas mit Bohnenkaffee. Sie öffnete sie und atmete mit geschlossenen Augen den Duft ein. Dann schloss sie den Behälter wieder. Lewis, fand sie, brauchte ihn im Augenblick dringender als sie.
    Sie räumte auf und spülte das Geschirr. Lewis’ Butler, ein Landwehrmann, war in Frankreich bei den Expeditionsstreitkräften. Ruby wischte mit einem Tuch die Wasserhähne und das Spülbecken, drückte den Korken wieder in die Weinflasche und stellte diese in den Kühlschrank. Wir haben nicht einmal genug Maschinen, um uns selbst zu verteidigen, dachte sie und sah sich, ein erschreckendes und zugleich komisches Bild, wie sie mit einem Brotmesser die Straßen Londons gegen deutsche Fallschirmjäger verteidigte.

    17. Mai: Brüssel fiel. Am folgenden Tag kapitulierte Antwerpen. Deutsche Truppen überrannten Amiens und Abbeville, seit Jahrhunderten umkämpfte Grenzstädte, denen Besatzung, Invasion und Niederlage nicht fremd waren. Am 21. Mai erreichten die ersten deutschen Truppen die Kanalküste. Und bald saßen der größte Teil der britischen Expeditionsstreitkräfte und Teile der französischen Truppen, von den Deutschen eingeschlossen, etwa hundert Kilometer landeinwärts von Dünkirchen in der Falle.
    Aber dann geschah ein Wunder. Nachdem Rommels Panzerdivision in heftigem Kampf bei Arras erhebliche Verluste beigebracht worden waren, unterbrach die deutsche Heerführung mit Hitlers Zustimmung den Angriff. Am 24. Mai begann im Hafen von Boulogne die Evakuierung der britischen Truppen. Zwei Tage später holten Schiffe die ersten Truppen aus Dünkirchen heraus, während rundherum belgische und britische Soldaten versuchten, die Lücke zu schließen, die sich geöffnet hatte, und die Deutschen am Erreichen des Hafens zu hindern. Am 28. Mai kapitulierte Belgien.
    In den folgenden neun Tagen wurden britische und französische Soldaten mit Schiffen von den Stränden gerettet, die beinahe ununterbrochen vom Feind bombardiert wurden. Den Schiffen der Kriegsmarine gesellte sich eine bunte Flotte Hunderter kleiner Fahrzeuge hinzu: Raddampfer und Krabbenboote, Fischkutter, Vergnügungsjachten und Flussdampfer überquerten unter dem Beschuss der Stukas den Ärmelkanal, um britische Soldaten in die Heimat zurückzubringen. Bis zum 3. Juni waren beinahe dreihundertvierzigtausend Männer, erschöpft, verwundet und traumatisiert, nach England zurücktransportiert worden.

    Immer wenn Sara aus dem Haus ging, blickte sie die Straße hinauf und hinunter, um zu prüfen, ob Polizei in der Nähe war. Einmal, als sie einen geparkten Wagen mit zwei Männern darin bemerkte, ging sie zum Einkaufen statt nach Somers Town.
    Viele Freunde von Anton, die, die in Cafés und Bars über Politik diskutiert hatten oder zu ihnen zum Essen gekommen waren, häufig schäbig gekleidet und viel zu dünn für die Kälte, deren Lächeln nicht recht zu den abgekauten Fingernägeln und den ständig unruhig wippenden Füßen gepasst hatte, waren in Internierungslager gebracht worden. Einige waren, als sie erkannt hatten, dass sie eingesperrt werden würden, verschwunden wie Anton. Einer, ein stiller Junge mit traurigem Gesicht, hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten.
    Am 10. Juni, während noch die Schlacht um Frankreich tobte, erklärte Mussolini England und Frankreich den Krieg. Alle kassieren , befahl Churchill am nächsten Tag. Italiener, von denen manche seit mehr als einem Jahrzehnt in England lebten – Kellner eleganter Londoner Hotels, Eigentümer von Eisdielen und italienischen Feinkostgeschäften –, wurden interniert. Die

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