Das Haus in den Wolken
um die Nase. War die Ãberfahrt unangenehm?«
»Ich bin soeben über den Kanal geï¬ogen.«
»Du bist geï¬ogen ? In einem Flugzeug? Du Glückspilz.«
Sie machte Tee, stellte Kekse hin. »Perlen oder Granate?« Sie hielt unter jedes Ohr einen Ohrring.
»Die Granate. Wer ist der Glückliche?«
»Er heiÃt Lewis Gascoigne und ist hinreiÃend. Er arbeitet im Auswärtigen Amt, ist verheiratet, lebt aber von seiner Frau getrennt. Ich komme mir sehr alt und welterfahren vor mit einem verheirateten Liebhaber.«
Sie setzte ihre Brille auf, um sich im Spiegel prüfend zu mustern. Zufrieden mit sich, drehte sie sich zu ihm um. »Was meinst du?«
Er war im Zimmer umhergegangen und hatte ihre Bücher und Schallplatten betrachtet. Jetzt blieb er stehen, um sie genau anzusehen. »Du siehst toll aus.«
Sie empfand beinahe etwas wie Stolz; sie hatte einen Finborough beeindruckt. »Was macht Aleks?«
»Wir haben uns getrennt.«
Noch einen Hauch Puder. »Sie war auch nicht die richtige Frau für dich«, sagte sie kühl.
»Das verstehe ich jetzt aber nicht. Wieso nicht?«
»Sie war eben nicht die Richtige für dich. Zu â zu groÃ. Hat es dir das Herz gebrochen, Theo?«
»Es ist nur ein kleiner Sprung. In Wirklichkeit bin ich ja bis zum Wahnsinn in dich verliebt, Ruby â die anderen Frauen sind nur Tarnung.«
Sie warf ein Sofakissen nach ihm. »Und dein Freund â Lewis«, sagte er, »ist er der richtige Mann für dich?«
»Wahrscheinlich nicht«, räumte sie ein. »Aber er ist ein wahnsinnig netter Kerl.«
»Siehst du die anderen manchmal?«
Sie steckte Puderdose und Lippenstift ein. »Ich sehe Sara ziemlich oft. Und Anton natürlich auch. Aber mit denen zusammen zu sein kann einem ganz schön auf die Nerven gehen. Die turteln ja nur noch.«
»Sie lieben sich offenbar.«
»Und wie. Dabei fällt mir ein, ich muss unbedingt mal bei Philip und Elaine vorbeischauen. Ich habe sie schon ewig nicht mehr gesehen. Ich habe immer so viel zu tun. Aber das Kleine ist einfach süÃ. Warst du schon zu Hause, Theo?«
Er schüttelte den Kopf. »Das kommt als Nächstes.«
»Du kannst bei mir auf dem Sofa schlafen, wenn du willst.«
»Das ist lieb von dir, Ruby, aber es ist besser, ich sehe mal nach Dad.«
»WeiÃt du, wie es ihm geht?«
»Nein, keine Ahnung. Ich habe ihn ja seit Weihnachten nicht mehr gesehen, und er schreibt nicht. Weihnachten war gruslig. Nur er und ich. Mit allen anderen hat er sich zerstritten. Ich habe mal ein bisschen auf den Busch geklopft, um zu sehen, ob er sich nicht mit Philip und Sara aussöhnen will, aber er ist sofort in die Luft gegangen. In seinen Augen ist Sara eine Sünderin, weil sie Mann und Kind verlassen hat und unverheiratet mit einem anderen zusammenlebt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er Philip je verzeiht. Abgesehen von allem anderen â Elaine, meine ich â, hat Philip seine Firmenanteile verkauft, und mein Vater versteht das als Verrat.« Theo wechselte das Thema, indem er auf einen Stapel mit Maschine beschriebener Blätter tippte. »Was ist das?«
»Mein erster Roman«, antwortete Ruby stolz. »Er heiÃt Tod in Moll , weil er in der Musikwelt spielt. Ich habe nur noch ein paar Kapitel vor mir.«
»Also keine Liebesgeschichte?«
»Nein, ich wollte mich mal an einem Kriminalroman versuchen. Ich habe keine Ahnung, ob er je veröffentlicht wird â ich komme zurzeit kaum zum Schreiben, und den Verlagen fehlt es allen an Papier.« Sie schlüpfte in ein graues Jäckchen mit karminroten Paspeln. »Waren Richard und Isabel schon früher mal so lange auseinander?«
»Ich glaube nicht. Im Grunde tut der arme Kerl mir leid. Ich glaube, er ist verdammt einsam.«
»Ja, der Arme. Aber jetzt muss ich los, mein Schatz.«
Theo nahm seinen Rucksack und ging mit ihr. Auf der StraÃe sagte sie, bevor sie sich trennten: »Wir müssen bei Gelegenheit mal zusammen essen.«
»Dann lieber bald. Wer weiÃ, wie lange ich noch hier bin.«
Sie warf ihm einen scharfen Blick zu.
»Ich habe mich zur Marine gemeldet«, sagte er.
Ruby war verblüfft. Dann sagte sie: »Du siehst bestimmt unwiderstehlich aus in Dunkelblau«, warf ihm eine Kusshand zu und lief schon die StraÃe hinunter.
10. Mai 1940: Der Tag, an dem alles anders wurde.
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