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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Augen, und darüber ein graues Jackett mit Schulterpolstern. Sie hatte keinen Hut auf, und das Haar fiel ihr in rotblonden Locken lose auf die Schultern.
    Sie küsste ihn auf die Wange. Als sie die Straße entlanggingen, sagte er: »Du siehst wunderschön aus, Sara.«
    Sie sah an sich herunter und lachte. »Das ist wirklich lieb von dir, aber das stimmt nicht, überhaupt nicht. Ich weiß, dass ich schrecklich aussehe, ich hatte nicht mal Zeit, mir richtig die Haare zu frisieren. In der Euston Road gab es heute einen Blindgänger – einen riesigen, wie es hieß. Hunderte von Menschen mussten evakuiert werden, und sie kamen alle zu uns zum Lunch. Übrigens, es tut mir wirklich leid, aber ich habe heute Abend auch keine Zeit, um etwas mit dir trinken zu gehen. Eins der Mädchen hat Geburtstag, und ich habe ihr versprochen, mit ihr zu Abend zu essen. Ist das sehr schlimm?«
    Â»Nein, das macht nichts«, erwiderte er rasch, dann sagte er, um seine Enttäuschung zu verbergen: »Ich habe dir etwas mitgebracht.« Er nahm ein kleines Päckchen aus der Jackentasche und reichte es ihr.
    Â»Haarklemmen!«, rief sie. »Oh Edward, du bist wunderbar. Wo hast du die denn her?«
    Â»Aus der kleinen Drogerie in der Pimlico Road. Ich bin zufällig dort vorbeigekommen, und im Fenster hing ein Reklameschild für Haarklemmen. Na ja, und da habe ich mich erinnert, dass du welche brauchst.«
    Â»Ich habe nur noch drei Stück. Vielen, vielen Dank.« Und mit einem Blick in eine Schaufensterscheibe begann sie, sich mit ein paar geschickten Handgriffen die Haare hochzustecken.
    Dann gingen sie weiter. »Ich habe einen Brief von Anton bekommen«, sagte sie.
    Â»Wie geht es ihm?«
    Â»Anscheinend recht gut. Er sagt, in der Pension ist es ziemlich kalt, aber die irische See ist noch kälter.«
    Â»Er badet in der See?«, fragte Edward überrascht.
    Â»An dem kleinen Stückchen Strand, das sie haben.« Sie strahlte. »Er ist wie ich – er geht zu gern schwimmen. Er sagt, durch den Stacheldraht kann man bis an den Horizont sehen. Er war auch auf einem Konzert – einige der anderen Internierten haben ein Streichquartett gegründet. Und er hält Vorträge über Architektur.«
    Â»Klingt mehr nach einem Ferienlager als nach einem Gefängnis«, bemerkte Edward, und Sara wurde ganz still, ging ein wenig schneller und blickte starr geradeaus.
    Er spürte, wie er rot wurde. »So habe ich es nicht gemeint – entschuldige bitte, Sara, so hätte ich es nicht sagen sollen.«
    Â»Er hasst es«, sagte sie leise. »Das schreibt er zwar nicht, aber ich weiß es. Kannst du dir vorstellen, wie das ist, wenn du dir jedes Wort genau überlegen musst, bevor du sprichst? Wenn dir Grenzen gesetzt sind, wohin du gehen kannst, was du tun darfst? Anton hat jahrelang so gelebt. Einmal hat er mir erzählt, dass er sich kaum noch wie ein Mensch gefühlt hat in dieser Situation.«
    Â»Entschuldige bitte«, wiederholte er. »Das war dumm von mir. Ich wollte nur sagen – nun, wenigstens ist er in Sicherheit. Wenigstens misshandeln sie ihn nicht.«
    Â»Ja.« Sie biss sich auf die Unterlippe, dann seufzte sie. »Ich sollte nicht so empfindlich sein – ich weiß ja, dass du es nicht so gemeint hast. Ich bin nur ein wenig müde, da bin ich immer so leicht gereizt. Es tut so gut, mit jemandem zu reden, der ihn kennt, der sich auch Sorgen um ihn macht.« Sie lächelte Edward entschuldigend an. » Er macht sich Sorgen um mich , weißt du.«
    Wie auf ein Stichwort ging der Fliegeralarm los, das durchdringende Heulen übertönte den Straßenlärm. Kurz danach war das tiefe, vibrierende Dröhnen der Bomber zu hören. Und schon zitterte die Luft vom Heulen der Feuerwehrsirenen und vom donnernden Stakkato der Fliegerabwehrgeschütze.
    Lauteres, sehr viel näheres Dröhnen. Der Himmel war feuerhell, und als Edward hinaufblickte, erkannte er den großen, dunklen Umriss eines Flugzeugs. Er nahm Sara bei der Hand, und sie rannten los. Dann ein befremdliches Gefühl – ein Sog, der alle Geräusche verschluckte, den er körperlich zu spüren meinte –, und ohne noch einmal nachzudenken, riss er Sara in eine Türöffnung und stellte sich schützend vor sie. Ein ohrenbetäubender Knall, dann fielen Tausende von Glasscherben herab, wie gefrorener Regen. Edward konnte

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