Das Haus in den Wolken
zusammen. Wir arbeiten an einem Projekt, bei dem es um die Bestäubung von Obstbäumen geht.« Wieder ein Hüsteln. »Ich habe sie mitgebracht. Möchtest du sie kennenlernen?«
»Mit Vergnügen.«
Gil eilte davon und kehrte Augenblicke später in Begleitung einer grobknochigen jungen Frau mit kräftig ausgeprägten Gesichtszügen zurück. Ihr dickes dunkles Haar war zum Pagenkopf geschnitten, und sie trug ein dunkelblaues Kostüm mit weiÃer Bluse darunter.
»Sara, das ist meine Verlobte, Janet Radbourne. Janet, das ist Sara.«
Sie machten einen Moment steife Konversation, bis Miss Radbourne die Sache in die Hand nahm und entschied, dass sie jetzt zusammen Tee trinken würden.
Miss Radbourne schenkte ein. »Wenn wir verheiratet sind«, verkündete sie und schwenkte das Milchkännchen, »machen wir das Haus dicht und holen David und Nanny nach England.«
Sara war bestürzt. »Sie wollen Vernon Court leer stehen lassen?«
»Ja. Das ist das Vernünftigste.«
»Aber was wird aus dem Garten?«
»Tja, der Garten wird sehen müssen, wie er allein zurechtkommt«, sagte Gil. »Dickie Lynch hat sich freiwillig gemeldet â rohe Kraft wird im Krieg wahrscheinlich immer gebraucht.« Er streckte den Arm zum Kuchenteller aus.
»Lieber kein zweites, Gil«, riet Miss Radbourne. »Der Kuchen ist vielleicht mit Eipulver gemacht, und das ist so schwer verdaulich.«
Gil zog den Arm zurück. »Vielleicht kann ich ja von den Scones â«
»Die sind mit Rosinen, Schatz.« Miss Radbourne wandte sich Sara zu. »Wir wollen das Haus an eine Schule oder eine ähnliche Einrichtung vermieten.«
Sara sah es schon vor sich: Kinder, die durch die Rabatten trampelten, Kricketbälle, die durch das alte Glas des Wintergartens knallten, Efeu und Winden, die die von Caroline so geliebten Pï¬anzen überwältigten. Aber sie sagte: »Natürlich, Gil, das weiÃt du am besten.«
Zwei Tage später traf sie Edward wie gewohnt nach der Arbeit zu einem Drink. Sie erzählte ihm von ihrem Gespräch mit Gil.
»Ich kann es kaum glauben«, sagte sie. »Das bedeutet, dass Anton und ich endlich auch heiraten können.«
»Aber das kannst du doch nicht tun.«
Sein Ton und seine Worte erstaunten sie. Sie sah ihn an. »Jetzt natürlich noch nicht. Aber wenn die Scheidung ausgesprochen istâ¦Â«
Edward schloss die Augen und drückte beide Hände an sein Gesicht.
»Geht es dir nicht gut, mein Lieber? Was ist denn?«, fragte sie besorgt.
»Ach, nichts.« Er stand auf und ging zum Tresen, um noch etwas zu trinken zu holen. Als er zurückkam, lächelte er. »Ich freue mich für dich, Sara.«
Sie drückte ihm die Hand. »Geht es dir auch wirklich gut, Edward? Du siehst so müde aus.«
»Ja.« Ein kurzes Auflachen. »Müde sind wir doch alle. Die Arbeit, weiÃt du. Und mit meiner Mutter ist es auch nicht einfach.«
»Ich weiÃ, mein Lieber. Ich weiÃ.«
Ruby arbeitete viel in diesem Winter, in dem sie im Auftrag des Versorgungsministeriums kreuz und quer durchs Land fuhr und Fabriken besichtigte. Zu Weihnachten bekam sie von Claire Chance eine Karte, der ein kurzer Brief beilag. »Ich habe Archie und Anne von Ihnen und Ihrer Mutter erzählt«, schrieb Claire. »Am Anfang war es etwas heikel, aber wir haben lange miteinander geredet, und beide möchten Sie kennenlernen.« Sie hatten vor, im neuen Jahr, wenn Archie Urlaub hatte, einige Tage nach London zu kommen, fügte Claire hinzu. Vielleicht könnten sie bei dieser Gelegenheit einmal zusammen essen.
Ruby begegnete ihren Halbgeschwistern zum ersten Mal im Speisesaal eines Hotels in Marylebone. Das Gespräch, das nur mühsam in Gang kam, während Nicholas Chanceâ Kinder einander taxierten, wurde im Lauf des Abends unbefangener und lebhafter. Anne war temperamentvoll und freimütig wie ihre Mutter und schien über die Situation vor allem amüsiert zu sein â »Wahnsinnig romantisch, ein Kind der Liebe zu sein, ï¬ndet ihr nicht? Ich komme mir vor wie eine Person aus einem historischen Roman.« Archie nahm das Ganze offensichtlich nicht so auf die leichte Schulter. Er sprach anfangs wenig; Ruby sah ihn immer wieder an und suchte in seinen Zügen die ihres Vaters.
Im folgenden Monat kam ein Brief von Theo. Er sei für ein paar Tage Urlaub in London, schrieb
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