Das Haus in den Wolken
Sie lachte. »Hören Sie sich das an. Wie sentimental kann man eigentlich sein?«
»Haben Sie Archie und Anne das mit meinem Vater erzählt?«
Claire schüttelte den Kopf. »Nicht alles, nein. Sie wissen, dass er mich verlassen hat. Ich würde ihnen gern die ganze Wahrheit sagen, aber natürlich nur mit Ihrer Zustimmung. Geheimnisse sind nicht gut, und ich möchte auf keinen Fall, dass Archie und Anne es irgendwie durch Zufall erfahren.«
Kurzes Nachdenken. Dann: »Gut, wenn Sie es für das Beste halten.«
»Vielleicht möchten Sie die beiden irgendwann einmal kennenlernen. Das überlasse ich Ihnen.«
Sie hatte nicht genug Verwandte, sagte sich Ruby, um nicht ein paar zusätzliche vertragen zu können. »Ja, das wäre schön.«
»Danke.« Claire sah sie an. »Und Sie? Haben Sie es jemandem erzählt?«
»Nur Theo.«
»Ihrem Freund?«
»Nein, nein, Theo ist nicht mein Freund. Meinem Freund habe ich nichts über meinen Vater erzählt.«
Sie unterhielten sich noch eine Weile über ihre Arbeit â Claire war wieder an der Schule und unterrichtete Kunst â, dann verabschiedete sich Ruby und kehrte in ihre Unterkunft zurück.
In dieser Nacht konnte sie nicht schlafen. Die Bahnfahrt, die Gespräche, die sie in der Fabrik geführt hatte, ihre Unterhaltung mit Claire, das alles ging ihr unaufhörlich durch den Kopf.
Meinem Freund habe ich nichts über meinen Vater erzählt. Sie hatte mit Lewis kaum je über ihren Vater oder ihre Mutter gesprochen, und er hatte eigentlich nie gefragt. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie sich Theo und Sara anvertraut, nicht Lewis. Und Lewis hatte ihr genauso wenig von seiner eigenen Familie erzählt â das Notwendigste über Theresa, sonst nichts. Die Familie gehörte nicht zu ihren Themen. Sie sprach über den Krieg, die neuesten Schlager und Theaterstücke. Wie das wohl kam?
Und dann: Nie hätte ich geglaubt, dass er einfach gehen würdeâ¦
Das letzte Mal war Sara im Sommer in Vernon Court gewesen, um mit David dessen vierten Geburtstag zu feiern. Er war zu einem aufgeweckten, robusten kleinen Jungen herangewachsen, mit Gils dunklem Haar und seinen runden dunklen Augen.
Im Herbst bekam sie einen Brief von Gil, der in einem Labor in der Nähe von Bristol Kriegsarbeit leistete. Er schrieb ihr, dass Caroline Vernon nach einer Gallensteinoperation plötzlich gestorben war. Sara schrieb einen Beileidsbrief; sie und Gil vereinbarten, sich einige Wochen später in London zu treffen, um Davids Zukunft zu besprechen.
Gil wohnte im Savoy-Hotel. Er wartete im Foyer, als sie kam. Sara gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Es hat mir so leidgetan, von Carolines Tod zu hören. Sie fehlt dir bestimmt ganz schrecklich. Wie geht es dir, Gil?«
»Ach, es geht schon.« Er wirkte verloren. »Wenn ich an zu Hause denke, sehe ich immer Mutter in ihrem Garten.«
»Wie geht es David?«
»Er vermisst sie Tag und Nacht. Ein Glück, dass Nanny Duggan da ist.«
»Ja, natürlich«, sagte Sara. »Ich würde gern helfen â David könnte doch eine Weile zu mir kommen. Dann könnte Nanny einmal eine Zeit lang verschnaufen.«
»Oh, nein, nein, das ist nicht nötig.« Er hüstelte ein wenig. »Also, eigentlich wollte ich dich um etwas bitten, Sara.«
»Alles, was du willst, Gil.«
»Ich wollte fragen, ob du mit einer Scheidung einverstanden wärst.«
Erstaunt sah sie ihn an. »Aber ich dachte, eine Scheidung käme für dich nicht infrage.«
»Sie kam für Mutter nicht infrage«, erklärte er. »Aber die Zeiten haben sich geändert, und jetzt, wo sie tot istâ¦Â« Er stockte und nahm einen neuen Anlauf. »Ja, weiÃt du, ich bin schon seit einiger Zeitâ¦Â« Dann sah er ihr direkt in die Augen und sagte: »Ich möchte wieder heiraten, Sara. Eine andere Frau, meine ich.«
»Oh.« Sie lächelte. »Das freut mich für dich, Gil.«
»Ich könnte natürlich Klage wegen böswilligen Verlassens einreichen, aber es wäre für alle Beteiligten besser, wenn du dein Einverständnis gäbst.«
»Ja, das sehe ich ein. Natürlich hast du mein Einverständnis.« Noch einmal küsste sie ihn auf die Wange. »Wie heiÃt denn deine zukünftige Frau? Wo hast du sie kennengelernt?«
»Sie heiÃt Janet Radbourne und arbeitet im Labor mit mir
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