Das Haus in den Wolken
»Ihr Ehemann⦠seine Frau â¦Â«
»Oh, die wissen sicher genau, was vor sich geht. Und es ist ihnen zweifellos recht.« Er strich ihr über die Wange. »Sieh nicht so verschreckt drein, Liebes. So ist die Welt nun einmal.«
»Meine Welt nicht.«
»Dies ist deine Welt, Isabel. Dies ist deine Welt geworden.«
Seine Stimme klang unbeschwert, doch in seinen Augen sah sie etwas Unnachgiebiges aufscheinen. Sie dachte daran, wie er sich manchmal im Laufe eines Abends von ihr entfernte und wie er sich, immer ruhelos, mit der Hand leicht gegen den Oberschenkel klopfte, während sein Blick durch den Raum schweifte. Sie hatte gesehen, dass andere Frauen mit ihm ï¬irteten und ihre Blicke ihm folgten; sie wusste, dass er sich schnell langweilte, dass er alles Neue liebte. Manchmal erstickten ihre Furcht und ihre Eifersucht sie beinahe â würde er sie verlassen, so wie Alï¬e Broughton sie verlassen hatte? Würde er diese unbesonnene Heirat bedauern, sie vergessen, sie im Stich lassen?
»Ich würde so etwas niemals tun«, sagte sie. »Niemals, Richard.«
»Dir einen Liebhaber nehmen? Das will ich hoffen.« Es klang amüsiert.
Ihre erste Abendgesellschaft gaben sie im März. Es gebe Leute, denen er eine Einladung schulde, sagte er zu ihr, und andere, deren Bekanntschaft er pï¬egen sollte. Am Spätnachmittag ihres Dinners war das Haus voller Dienstboten, die Gläser und Besteck polierten und Kohlen in die Kaminfeuer schütteten. Aus der Küche drangen köstliche Gerüche.
Eine Dreiviertelstunde vor dem Eintreffen der Gäste ging Richard hinauf ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Als er die Tür öffnete, sah er Isabel in einem Chiffonunterrock am Bett stehen.
»Meine Güte«, sagte er. »Du bist noch gar nicht fertig? Wo ist die Zofe?«
»Ich habe sie weggeschickt.«
»Warum? Du musst dich beeilen, Liebes, sie werden bald hier sein.«
Sie schüttelte den Kopf. »Richard, ich glaube, ich kann das nicht.«
Er erwiderte ihren Blick. »Wie meinst du das?«
»Ich kann das nicht durchstehen.«
»Aber es ist doch nur eine Einladung zum Dinner, Liebes«, versuchte er sie zu ermutigen.
»All diese Leute â«
»Die meisten von ihnen kennst du doch bereits.«
Ihr war schlecht, die Stäbe ihres Korsetts drückten ihr in den Magen, und der Gedanke an ein Fünf-Gänge-Menü verursachte ihr noch mehr Ãbelkeit.
»Können wir es nicht absagen?«
»Jetzt? Sei nicht albern.«
»Wir könnten sagen, ich sei krank geworden.«
»Warum um Himmels willen sollten wir das tun?«
»Weil â¦Â« Was war der Grund für ihre Nervosität: dass sie ihm von ihrer Vermutung erzählen musste, die ihr von Tag zu Tag mehr zur Gewissheit wurde; oder war es diese harte Prüfung, die sie heute Abend durchstehen musste?
Ausweichend sagte sie: »Ich lasse sicher etwas fallen â oder sage etwas Falsches.«
Als er sein Hemd aufknöpfte, ï¬el ein Manschettenknopf unter die Kommode, und er ï¬uchte. »Ich verstehe nicht, warum du so ein Theater machst. Ich hätte nie gedacht, dass es dir an Mut mangelt.«
»WeiÃt du denn nicht, dass ich mich jeden Tag fühle, als liefe ich auf spiegelglattem Eis?« Sie erhob die Stimme. »WeiÃt du nicht, wie oft ich mir Einhalt gebieten muss, um keinen Knicks vor diesen Leuten zu machen, die früher einmal meine Herrschaft hätten sein können? Oder ziehst du es vor, das alles zu vergessen? Sag mir, Richard, wie viele deiner Freunde und Bekannten wissen, was ich vor unserer Heirat war?«
»Warum sollten sie es erfahren?«
»Wie viele?«
»Ein paar. Meine Mutter, natürlich â die Colvilles â«
»Siehst du«, entgegnete sie bitter, »es ist, wie ich sagte: Du schämst dich meiner!«
Er wirkte verärgert. »Das ist Unsinn.«
»Wirklich? Kannst du ehrlichen Herzens sagen, dass unsere Ehe dir in keiner Weise geschadet hat? Dass niemand deshalb geringer von dir denkt?«
Eine wegwerfende Handbewegung. »Glaubst du, es beunruhigt mich, wenn ich ein paar Einladungen weniger von spieÃigen Gastgeberinnen bekomme? Isabel, warum tust du das? Warum quälst du dich selbst so?«
Sie setzte sich aufs Bett. »Weil ich Angst habe, dich zu verlieren«, ï¬Ã¼sterte sie.
»Mich zu verlieren?«, rief er ärgerlich. »Warum solltest
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