Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
erschrocken die Luft aus. »Gott, Isabel, du verstehst es, einem Burschen einen ordentlichen Schreck einzujagen.«
    Â»Wir heiraten doch, Alfie, oder nicht?« Sie ergriff seine Hände.
    Â»Ja, ja.« Er versuchte, seine Gereiztheit zu unterdrücken, und lächelte. »Aber natürlich.«
    Erleichtert lehnte sie sich an ihn und umarmte ihn fest. »In der Kirche?«
    Â»Was immer du willst, meine Süße.«
    Die Tage vergingen. Alfie liebte sie, er würde sie heiraten. Sie würden in einem kleinen Haus an der See wohnen: Isabel sah ihr Kind schon am Strand im Sand spielen.
    Doch wenn sie spätabends aus dem Fenster der Kinderstube spähte, konnte sie ihn, den gut aussehenden jungen Mann, nirgends zwischen den Mülleimern und Fahrrädern entdecken. Sie schrieb ihm einen Brief. Wenn er den nicht beantwortete, musste er in Geschäften unterwegs sein, um die Läden von Kent mit Zuckerstangen und Malzbonbons zu versorgen.
    Weil sie langsam unruhig wurde, ging sie zu seinem möblierten Zimmer. Seine Vermieterin erzählte ihr, dass Alfie weg war. »Und er schuldet mir noch die Miete für eine Woche«, fügte sie ärgerlich hinzu. »Hat nicht mal eine neue Adresse hinterlassen.« Bei diesen Worten glitt ihr Blick über Isabels Bauch.
    Am nächsten Tag, ihrem freien Nachmittag, streifte sie durch die Stadt und suchte Alfies Lieblingsplätze auf. Panik ergriff sie, während sie von Laden zu Café ging. Als sie den Strand entlanglief, versanken ihre Füße bedrohlich tief im Sand. Niemand wusste, wo Alfie Broughton war, seit einer Woche hatte ihn niemand gesehen.
    Isabel stellte die Kinderschühchen zurück in die Vitrine. Es hatte lange gedauert, bis sie begriffen hatte, dass Alfie für immer verschwunden war und seine Liebesschwüre nichts als Lüge gewesen waren. Wie banal: der treulose Liebhaber, das sitzen gelassene Mädchen. Eine Geschichte, die sich tausendmal zugetragen hatte. Hätte sie sie, allen schrecklichen Folgen und Konsequenzen zum Trotz, Richard erzählen sollen? Ja, natürlich.
    Aber sie hatte es nicht getan. Sie hatte ihre Gründe gehabt, manche davon zutiefst beschämend, manche nicht so sehr. Richard Finborough hatte sich unaufgefordert in ihr Leben gedrängt. Hatte sie nicht wieder und wieder versucht, ihn abzuweisen? Und außerdem – deine Vergangenheit hat mit mir nichts zu tun , hatte er zu ihr gesagt, und jetzt musste auch sie das alles vergessen: Sie musste Alfie Broughton und ihr Kind aus ihren Gedanken löschen, so als hätten sie niemals existiert.
    Und hatte sie nicht genug gelitten? Hatte sie es nicht verdient, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und neu zu beginnen? Sollte sie unverheiratet bleiben, kinderlos und ohne Liebe ein Leben lang, nur weil sie im Alter von erst siebzehn Jahren einen einzigen schrecklichen Fehler begangen hatte?
    Isabel zog Mantel und Hut an und ging aus dem Haus. Über den Rasen hinweg lief sie zur See hinunter, die nicht zu sehen war im Nebel um Raheen. Dunkle, tropfende Zweige streiften sie, am Himmel schimmerte hinter Wolken diffus die helle Scheibe der Sonne. Sie ließ die Bäume hinter sich und überquerte eine Wiese, ihr Rocksaum wurde nass im hohen Gras. Als sie die Anhöhe erreicht hatte, sah sie hinaus in die Bucht. Dort draußen lichtete sich der Nebel bereits, und ein silbriges Licht spielte auf dem Wasser. Ein halbes Dutzend Kühe, von der Weide geflohen, drängte zum Wasser.
    Alfie Broughton musste ihr Geheimnis bleiben, für immer. Niemand durfte je von ihm erfahren. Sie hatte Richard Finborough geheiratet und sich dadurch mit einem sauberen Schnitt von ihrer Vergangenheit getrennt. »Isabel Zeale gibt es nicht mehr«, murmelte sie vor sich hin. »Jetzt bin ich Richard Finboroughs Ehefrau.«
    Jemand rief ihren Namen. Als sie sich umdrehte, sah sie Richard über die Wiese auf sie zulaufen. Die Wintersonne, dachte sie, diese grüne, verträumte Landschaft, dieser Mann. Sie schöpfte neuen Mut und rannte ihm die Anhöhe hinunter entgegen.

    Zu Anfang wohnten sie in einem gemieteten Haus in Kensington. Als Ehefrau von Richard Finborough konnte sie nun auch ihr Verlangen nach geistiger Anregung stillen. Das erste Jahr ihrer Ehe war geprägt von neuen Erlebnissen: Zum ersten Mal sah sie ein Ballett, zum ersten Mal hörte sie ein Orchesterkonzert, zum ersten Mal besuchte sie eine

Weitere Kostenlose Bücher