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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Haustiere und Begräbnisse, und dann sagte Sara plötzlich: »Wie schön, dass du jetzt bei uns wohnst. Endlich ist noch ein Mädchen da. Ich habe Jungs so satt.«

    Sara, so schien es, schloss Ruby ins Herz, wie sie alle heimat- und herrenlosen Geschöpfe ins Herz schloss, und Ruby hatte im Gegensatz zu Saras streunenden Katzen wenigstens keine Flöhe. Sie hatte nur etwas zerzauste Haare, ihre Strümpfe und Pullover waren vielfach geflickt und die Bündchen ihrer Blusen ausgefranst.
    Isabel nahm Ruby und Sara mit ins Kaufhaus Army & Navy und kaufte Ruby neue Kleider und eine Uniform, damit sie mit Sara zusammen in die Schule gehen konnte, bis ihr Vater wieder auftauchte. Sie aßen bei Selfridges zu Mittag und gingen danach zu Isabels Friseur in der Bond Street, wo Lucien Ruby den strähnigen Zopf abschnitt. Mit der gut geschnittenen Pagenfrisur und dem neuen Kleid wirkte Ruby gleich nicht mehr so gedrückt und armselig.
    Isabel gefiel es, noch ein Kind im Haus zu haben. Die Wiege und der Kinderwagen waren schon vor langer Zeit auf dem Dachboden verstaut und die weißen Babysachen, in Seidenpapier gehüllt, in die Kommode eines ungenutzten Zimmers geräumt worden. Aus der Kinderstube war Saras Zimmer geworden, wo jetzt an den Wänden Tapeten die bunten Friese mit Bildern von Tieren und Spielzeugen bedeckten. Nur wenn man genau hinsah, konnte man unter dem Primelmuster noch die Schatten der leicht erhabenen Formen von Teddybären, Lokomotiven und Elefanten mit erhobenem Rüssel erkennen.
    Kinder aufzuziehen, dachte Isabel manchmal, bedeutete fortgesetzt Abschied zu nehmen – zuerst verließen sie einen, wenn sie zur Schule kamen, dann gingen sie ins Internat; und mit der Zeit entfernten sie sich immer weiter von einem, beschäftigten sich mit eigenen Interessen, man war nicht mehr der Mittelpunkt der Welt für sie. Ihre drei Kinder waren grundverschieden. Philip und Sara hatten das leidenschaftliche Temperament, das das rote Haar der Finboroughs vermuten ließ; Theo war kühler, distanzierter. Philip und Richard gerieten oft aneinander – sie waren sich zu ähnlich, dachte Isabel manchmal, um reibungslos miteinander auszukommen. Beide waren mutig und stark und vertrauten auf ihre eigenen Kräfte, und beide sahen die Welt in Schwarz und Weiß und nicht in den unzähligen Schattierungen von Grau, aus denen sie, wie Isabel wusste, bestand.
    Philip hatte Richards Begeisterung für Schnelligkeit, Herausforderung und Gefahr geerbt. Seine Kraft brauchte ein Ventil, und immer tat er mit einem entwaffnenden Lächeln ihre Mahnungen ab, vorsichtig zu sein, nicht zu schnell zu fahren, sich warm anzuziehen, vor zehn Uhr zu Hause zu sein. Isabel fühlte sich Philip besonders nahe, dem Sohn, den sie gestillt und nach Stürzen und Trotzanfällen getröstet hatte. Er war warmherzig, liebevoll und anhänglich, auch wenn er oft nicht leicht verzeihen konnte, wenn man ihn kränkte, und dazu neigte, nachtragend zu sein, ein Erbteil von ihrer Seite, vermutete Isabel.
    Theo war schwieriger, ein kleiner, dünner Junge, der erst im zurückliegenden Jahr in die Höhe geschossen und jetzt beinahe genauso groß war wie Philip. Sein schönes schwarzes Haar umrahmte Gesichtszüge, die vor Kurzem alles kindlich Runde verloren hatten und schärfer, ja markant geworden waren; wie die eines Adlers, der auf einem Ast sitzt und mit in die Ferne gerichtetem, goldenem Auge sein Königreich überwacht, dachte Isabel manchmal. Theo hatte einen scharfen Verstand und eine rasche Auffassungsgabe, er liebte die Musik und die Kunst und hatte eine Neigung, hin und wieder die Einsamkeit zu suchen. In Cornwall verbrachte er manchmal ganze Tage allein, ging spazieren, segeln oder zeichnete. Isabel wusste nicht immer, was hinter diesen haselnussbraunen Augen vor sich ging. Oft fragte sie sich, ob die frühe Trennung von ihr Spuren hinterlassen hatte. Nach seiner Geburt war sie schwer krank gewesen, zu krank, um ihn im Arm halten oder stillen zu können. Ihr fehlte zu diesem zweiten Sohn der instinktive Zugang, den sie zu ihrem ersten Sohn hatte: Es war etwas Unergründliches um Theo, und sie liebte ihn, wie sie alles geliebt hätte, das rätselhaft und wundervoll war – aber es war keine ganz ungetrübte Liebe, denn es mischte sich eine gewisse Ehrfurcht hinein, ja sogar ein gewisses Gefühl von Vergeblichkeit.
    Ihre Gefühle für Sara waren

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