Das Haus in den Wolken
aufpassen.«
Sein unbekümmertes Vertrauen ärgerte sie. Nein, kann er nicht, wollte sie sagen. Konnte ich mit siebzehn auf mich selbst aufpassen? Nein. Ich wusste überhaupt nichts. Deshalb stelle ich mir vor, dass Menschen verletzt in StraÃengräben liegen und ein Polizist an meine Haustür klopft.
Richard setzte den Stöpsel wieder auf die Karaffe. »Ich war in Reading, im Haus von Chance«, erzählte er. »Weil ich selbst einmal nachsehen wollte, was los ist, bin ich heute Morgen hingefahren. Zum Glück â sie sind in einer trostlosen Lage. Das kleine Mädchen hat versucht, alles irgendwie zusammenzuhalten, aber die Mutter war in einem erbärmlichen Zustand. Sie hörte überhaupt nicht auf zu weinen, und ich bekam kaum ein Wort aus ihr heraus. Das Haus war eiskalt, und sie hatten nichts zu essen. Nicholasâ Tochter hat mir Tee gemacht, es war gewiss nicht der erste Aufguss.«
»Und Nicholas? Wo ist er?«
»Ich weià es nicht. Es sieht aus, als hätte er es nicht mehr ertragen können. Ich fürchte, er hat sich einfach ⦠aus dem Staub gemacht.«
»Aber er würde doch bestimmt nicht Frau und Tochter im Stich lassen?«
Richard wirkte aufgewühlt. »Dieses armselige Haus, Isabel, du kannst es dir nicht vorstellen. Ich wollte nur weg. Nicholas hatte Geldprobleme. Ich habe mir die Papiere in seinem Schreibtisch angesehen, während das Mädchen seiner Mutter packen half. Es war mir unangenehm, doch ich hoffte, irgendeinen Hinweis zu ï¬nden. Aber da war nichts auÃer Rechnungen, jede Menge unbezahlte Rechnungen.«
»Der arme Sergeant Chance.« Isabel war Nicholas Chance nur einmal begegnet, vor vielen Jahren in der Oxford Street, an Weihnachten. Sie erinnerte sich an einen groÃen, kräftig gebauten Mann mit dunklem Haar, blitzenden Augen und einem ansteckenden Lächeln.
»Was hast du getan?«, fragte sie.
»Ich habe den Arzt geholt. Ein fauler alter Umstandskrämer, aber wenigstens hat er ein Sanatorium für Mrs. Chance gefunden. Hoffentlich können sie ihr dort helfen.«
»Was fehlt ihr denn?«
»Vollständiger Nervenzusammenbruch, sagte der Arzt. Und anscheinend hat sie auch ein schwaches Herz.« Dann schien er sich an etwas zu erinnern, und sein Gesicht hellte sich auf. »Wie auch immer«, sagte er lächelnd. »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.«
Isabels Befürchtungen kehrten zurück. Richard war ein groÃzügiger Mann, aber seine Geschenke waren manchmal Friedensangebote, Trostpï¬aster für einen Fehltritt, von dem er meinte, sie habe ihn nicht bemerkt.
»Ein Geschenk?«
»Ein kleines Juwel.«
Sie glaubte, er würde jetzt ein Schächtelchen oder ein Etui aus der Tasche ziehen. Aber sein Gesicht bekam plötzlich den verschmitzten Ausdruck, den sie inzwischen so gut kannte, und sie erwartete einen der Witze, eines der Wortspiele, die er sich so gern einfallen lieÃ.
»Ich habe dir einen Rubin mitgebracht«, sagte er höchst zufrieden mit sich. »Nur, dass du dieses Juwel nicht an deinem Finger tragen kannst. Nicks Tochter heiÃt Ruby. Ich habe ihr versprochen, dass sie bei uns wohnen kann, bis Nick wieder auftaucht.«
»Aber natürlich.«
»Sieh sie als Pï¬egetochter an.« Er gab ihr einen Kuss. »Eine Pï¬egetochter auf Zeit.«
»Ich sage dem Mädchen gleich, es soll ihr ein Zimmer herrichten. Wie lange wird sie bleiben, Richard?«
»Das kann ich nicht sagen. Wir müssen abwarten, wie es ihrer Mutter geht.«
»Wo ist sie?«
»Ich habe ihr gesagt, sie soll im Vestibül warten.«
»Aber, Richard, das arme kleine Dingâ¦Â«
Isabel ging hinaus. Als sie Philips lederne Motorradjacke über einem Stuhl im Vestibül hängen sah, verï¬ogen ihre letzten Ãngste. Dann bemerkte sie die beiden, ein müde wirkendes kleines Mädchen in einem grauen Kleid und Philip, ihren ältesten Sohn.
Ruby hatte ihren Kuchen beinahe aufgegessen, als jemand sagte: »Philip, mein Schatz, du weiÃt doch, dass du hier drinnen nicht essen sollst.« Die Stimme klang keineswegs verärgert. »Und du musst Ruby sein. Ich bin Mrs. Finborough. Wie schön, dass du bei uns wohnen wirst, mein liebes Kind. Es tut mir nur leid, dass die Umstände nicht erfreulicher sind.«
Ruby sprang vom Stuhl auf. Mrs. Finborough trug ein cremefarbenes Kleid aus einem weich ï¬ieÃenden
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