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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Marmorguglhupf.«
    Â»Du meine Güte«, sagte sie. »Das klingt ja hochinteressant, aber was ist das?«
    Â»Ein Napfkuchen, schwarz-weiß wie Marmor, aber nicht so hart.«
    Â»Sie vermissen Wien wahrscheinlich sehr, Mr. Wolff. Es klingt so, als wäre es eine sehr schöne und romantische Stadt.«
    Sie bekamen ihren Kaffee, heiß und aromatisch. »Ja, es ist schön und romantisch, da haben Sie recht. Aber die Atmosphäre dort ist vergiftet.« Ein Schatten fiel über seine Züge.
    Â»Wieso?«, fragte sie. »Was ist denn passiert?«
    Â»Lesen Sie keine Zeitung, Miss Finborough?«
    Â»Nur selten, muss ich gestehen.«
    Â»Im Februar kam es in Österreich zu einem Bürgerkrieg. Und im Juli wurde der österreichische Kanzler Dollfuß ermordet.«
    Â»Das ist ja entsetzlich. Sind Sie deshalb hierhergekommen?«
    Â»Zum Teil, ja. Wien wurde gefährlich für mich. Aber ich bin auch hierhergekommen, weil ich, wie ich Ihnen schon sagte, hier Architektur studieren möchte.«
    Anton erzählte ihr von den Orten, die er in Großbritannien besucht hatte, von seinen Reisen nach Glasgow, wo er die Arbeit von Charles Rennie Mackintosh, einem seiner Vorbilder, studierte, von seinen Besuchen in Saltaire und der Gartenstadt Letchworth, um die Idealsiedlungen zu besichtigen, die dort geschaffen worden waren.
    Sara fragte, ob er in Wien noch Familie habe, und Anton erzählte ihr, dass seine Mutter vor einigen Jahren gestorben war, sein Vater aber noch in der Stadt lebte. »Ich habe versucht, ihn nach England zu lotsen«, sagte er, »aber er will nicht kommen.« Einen Moment lang sah er traurig aus. »Mein Vater ist ein alter Mann – er war fast fünfzig, als ich zur Welt kam. Je älter man ist, desto schwieriger ist so ein Umzug. Und wenn man erlebt hat, was mein Vater erlebt hat, wenn man Kriege, Revolution und Hungersnöte durchgemacht hat, dann erscheint einem die Gegenwart vielleicht gar nicht so übel.«
    Â»Ich sollte wirklich mehr Zeitung lesen. Aber irgendwie komme ich nie dazu.«
    Â»Warum sollten so schreckliche Dinge Sie interessieren?«
    Â»Weil ich dann bei den Diskussionen von Rubys Freunden mitreden könnte.«
    Â»Rubys Freunde reden eine Menge Quatsch«, sagte er wegwerfend. »Sie theoretisieren, aber sie wissen nichts. Leben Sie in Ihrer eigenen Welt, Miss Finborough, in Ihrem schönen Zuhause, bei Ihrer Familie und Ihren treuen Brüdern.«
    Â»So treu auch wieder nicht«, entgegnete sie lächelnd, »wenn der eine sich ins Ausland absetzt und der andere mich einfach vergisst.«
    Als sie mit dem Taxi nach Hause kam, saß Philip mit ausgestrecktem bloßem Bein in der Küche, und ihre Mutter reinigte die tiefen Schürfwunden in seinem Unterschenkel. Er war mit seinem Motorrad, das auf einer Eisplatte ins Rutschen geraten war, gefährlich gestürzt. Beide, Philip und ihre Mutter, waren sichtlich erleichtert, sie zu sehen, und ihre Mutter fand es sehr vernünftig, dass sie ein Taxi genommen hatte. Keiner von beiden wunderte sich darüber, dass sie für die Fahrt von der Fulham Road nach Hampstead anderthalb Stunden gebraucht hatte.
    Im Schlafzimmer ihrer Eltern zog Sara den geliehenen Mantel aus und hängte ihn über den gepolsterten Bügel. Sie streichelte den weichen Pelz mit dem Handrücken und dachte nicht wie sonst an die armen Tiere, die für den Mantel ihrer Mutter ihr Leben hatten lassen müssen, sondern an Anton. An Anton im Taxi, das schöne Gesicht vom Licht der vorüberfliegenden Laternen gesprenkelt; Anton im Café, traurig über das Schicksal seines Vaters; Anton beim Abschied, wie er seine Lippen auf ihren Handrücken drückte.

    Sara entdeckte, dass Anton an keiner Universität immatrikuliert war, obwohl er zu ihr gesagt hatte, er wäre Student. Manchmal ging er zu den Vorlesungen an der Universität von London. Hineinzukommen sei kein Problem, sagte er; man mischte sich einfach unter die anderen Studenten, und kein Mensch stellte Fragen. Manchmal arbeitete er für einen Freund, Peter Curthoys, einen Architekten, der sein Büro am Golden Square hatte. Er hatte ihn vor zwei Jahren in Paris kennengelernt. Peter, der seine Situation kannte, schanzte ihm Arbeit zu, wann immer es ging.
    Er beschrieb Sara den Karl-Marx-Hof, eine große Wohnsiedlung, die von den Sozialdemokraten in Wien erbaut worden war. Der Gebäudekomplex

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