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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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mir leid, das zu hören, Miss…«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen. »Finborough.«
    Der zweifelnde Blick von Mrs. Chance’ braunen Augen ruhte auf Ruby. »Wie alt sind Sie, Miss Finborough?«
    Â»Neunzehn.«
    Â»Wo wohnen Sie?«
    Â»In London.«
    Â»Wie haben Sie mich gefunden?«
    Â»Ich habe ins Telefonbuch gesehen.«
    Â»Ich meine, woher wussten Sie, dass ich in Salisbury wohne?«
    Â»Ich habe einen Eisenbahnfahrschein gefunden.« Verwirrt hielt Ruby inne, ihr war ganz schlecht.
    Unerwartet lachte Mrs. Chance auf. »Nun, wenigstens sind Sie witzig.« Dann veränderte sich ihre Stimme, und ganz direkt fügte sie hinzu: »Sie lügen mich an. Sie sind seine Tochter, stimmt’s?«
    Ruby brachte kein Wort heraus. Irgendetwas im Ausdruck von Mrs. Chance hatte sich verändert, Schmerz mischte sich mit Wut und Herausforderung. »Sie haben seine Augen, wissen Sie«, murmelte Mrs. Chance. »Seit Jahren habe ich fast erwartet… ich wusste immer, dass irgendetwas nicht stimmte… sogar als…« Der Satz blieb unvollendet.
    Die Eingangstür des Hauses wurde geöffnet, und ein kleines Mädchen rief: »Mama, wo ist die Schere?«
    Mrs. Chance sagte automatisch: »In meinem Nähkasten, Anne. Aber leg sie bitte wieder zurück.« Dann warf sie den Zigarettenstummel zu Boden, trat ihn mit der Schuhspitze aus und sagte unvermittelt zu Ruby: »Ich glaube, Sie kommen besser mit herein, wir brauchen beide etwas zu trinken.«
    Als sie hineingingen, nahm Mrs. Chance den Seidenschal aus dem Haar und schüttelte ihr welliges dunkles Haar. Sie setzten sich ins Wohnzimmer, wo Mrs. Chance ihnen Sherry eingoss. Das kleine Mädchen flitzte herein und heraus.
    Â»Anne muss wegen Masern zu Hause bleiben. Es wird eine Erlösung sein, wenn sie erst wieder zur Schule geht.«
    Dann zog sie eine Schublade auf und holte eine Fotografie heraus. »Ist er das? Ist das Ihr Vater?«
    Ruby sah auf das Bild, und ihr Herz krampfte sich zusammen. Nicholas Chance, groß und gut aussehend neben einer jungen, aparten Frau, die ein Kleinkind auf dem Arm hielt.
    Â»Ja.«
    Â»Das wurde ein paar Monate nach Archies Geburt aufgenommen. Ich habe – wir haben – einen Sohn, Archie, und Anne. Archie ist im Internat.« Ein rascher Blick auf Ruby. »Archie ist dreizehn, und Sie sagen, Sie sind neunzehn. Ich habe Nicky kennengelernt – nun, ein halbes Jahr, bevor ich mit Archie schwanger wurde. Nicky muss Ihre Mutter also vor mir gekannt haben.«
    Â»Meine Eltern haben 1913 geheiratet.«
    Â»Geheiratet…« Mrs. Chance setzte sich. »Nicky war verheiratet …« Ein wenig verwirrt sah sie Ruby in die Augen. »Ihre Mutter – wann ist sie gestorben?«
    Ruby starrte sie an. »Meine Mutter lebt noch.«
    Â»Dann waren sie also geschieden?«
    Ruby schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Â»Ach, du lieber Gott.« Mrs. Chance schloss die Augen.
    Anne hüpfte herein und sagte: »Mama, ich habe Hunger.«
    Mrs. Chance holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und drehte sich dann zu ihrer Tochter um.
    Â»Nimm dir einen Keks, mein Schatz.«
    Â»Kann ich auch zwei haben?«
    Â»Ja, ja, so viele du willst.«
    Als sie wieder allein waren, trank Mrs. Chance einen sehr großen Schluck Sherry.
    Â»Hat Dad Ihnen nichts von meiner Mutter erzählt?«, fragte Ruby.
    Â»Nein. Nein, natürlich nicht.« Entsetzt blickte Mrs. Chance Ruby an. »Ich hätte ihn wohl kaum geheiratet, wenn ich gewusst hätte, dass er bereits verheiratet war.«
    Jetzt war es Ruby, die vor Schreck erstarrte und sich am Sherryglas festhielt, als könnte es ihr Halt geben. »Dad hat Sie geheiratet …?«
    Â»Ja.« Ein unfrohes Lachen erklang. »So ist es. Sieht aus, als hätte er eine Gewohnheit daraus gemacht, was? Dieser Mistkerl, dieser miese, verlogene Mistkerl.« Claire Chance fischte erneut eine Zigarette aus der Packung, diesmal bot sie auch Ruby eine an. »Trinken Sie noch etwas, meine Liebe.« Sie füllte die Sherrygläser auf.
    Â»Aber er ist nicht hier?«, flüsterte Ruby.
    Â»Nein. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen.«
    Â»Seit wie vielen Jahren, Mrs. Chance?«
    Â»Claire. Nennen Sie mich doch Claire. Gütiger Gott – wenn wir nicht rechtmäßig verheiratet waren – dann bin ich vermutlich gar nicht Claire Chance, nicht wahr? Ich bin immer

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