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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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gewartet, aber die kam nicht. Nicky hat mir etwas zu trinken spendiert, wir kamen ins Reden und…«
    Sie entwarf ein Bild von heimlichen Treffen in den Bars an Bahnhöfen und von Tanzabenden in verrauchten Nachtklubs, ein Werben, das selbst jetzt noch, nach so langer Zeit und trotz seines Verschwindens, Claire Chance’ Augen in der Erinnerung daran aufleuchten ließ. Mit ihren Worten zeichnete sie einen flotten, sorglosen Mann, den Ruby nur selten zu Gesicht bekommen hatte.
    Irgendwann fragte Claire: »Möchten Sie vielleicht mit uns zu Mittag essen? Es ist genug da, und Sie könnten Anne richtig kennenlernen. Immerhin seid ihr ja wohl Halbschwestern.«
    Â»Nein, danke, ich muss zurück.«
    Einen Augenblick lang machten sie noch etwas bemüht Konversation, und dann verabschiedeten sie sich mit ein paar Höflichkeitsfloskeln, die das entsetzliche Gefühl des Betrugs, das sie, wie Ruby glaubte, beide empfanden, nicht überdecken konnten. Im Zug zurück nach London fiel ihr ein, dass sie den ganzen Tag nichts als den einen Apfel vom Markt in Salisbury gegessen hatte. Sie ging in den Speisewagen. Ein Kellner brachte ihr Tee und ein Stück Früchtekuchen, das sie in acht genau gleich große Teile schnitt, die sie dann zwischen den Fingern zerkrümelte. Ich brauche einfach Gewissheit , hatte sie zu Theo gesagt. Aber das war ein Irrtum gewesen, ein furchtbarer Irrtum.
    Ohne es zu beabsichtigen, dachte sie plötzlich über das Wesen des Betrugs nach. Konnte irgendetwas schmerzlicher sein als zu entdecken, dass man von einem Menschen hintergangen worden war, dem man fraglos vertraute und der dieses Vertrauen missbrauchte? Was würde Isabel Finborough, die sie in einer Notlage aufgenommen und stets mit Freundlichkeit und Zuneigung behandelt hatte, sagen, wenn sie herausfände, dass Sara einen österreichischen Studenten namens Anton Wolff liebte und dass sie, Ruby, die Briefe der beiden hin- und herbeförderte und ihre Treffen deckte?
    Eine Frage ging ihr immer wieder durch den Kopf, während der Zug London entgegenratterte und am Waggonfenster das satte Grün der Landschaft vorbeiwischte. Welche seiner beiden Familien hatte Nicholas Chance mehr geliebt?

    Isabels Haus in Cornwall war anderthalb Kilometer vom nächsten Dorf entfernt und konnte über eine schmale Landstraße erreicht werden, deren Raine jeden Sommer eine schäumende Pracht cremefarbenen Wiesenkerbels waren. Von Porthglas Cottage fiel das Land zunächst über Wiesen und dann über Felsen und Gesteinsbrocken zur sandigen Küste hin ab. Wenn Isabel nach Porthglas kam und die Koffer im Haus abgestellt hatte, führte ihr erster Weg sie stets aus dem Garten hinaus und durch den Hohlweg zwischen den Klippen hinunter an den von der Steilküste eingefassten Strand. Sie musste die See begrüßen, ihr ein Hallo zuflüstern.
    Als Richard ihr Porthglas gekauft hatte, hatte er vorgeschlagen, eine Haushälterin einzustellen, die dort wohnen und sich in ihrer Abwesenheit um das Haus kümmern sollte. Isabel hatte es rundheraus abgelehnt. Sie konnte es nicht ausstehen, nie allein zu sein. Richard konnte vielleicht die Anwesenheit eines Dienstboten vergessen, aber sie, die selbst in Diensten gestanden hatte, konnte das nicht. Dieses war das erste Haus, das einzige, das sie jemals wirklich als das ihre betrachtet hatte.
    Eine Frau aus dem Dorf, Mrs. Spry, kam dreimal in der Woche und machte sauber. Und es war auch Mrs. Spry, die ihr von dem Problem mit dem Dach schrieb. Während eines Orkans waren einige Dachschindeln davongeflogen, und jetzt tropfte Regenwasser in das Cottage hinein. Mrs. Spry hatte Eimer aufgestellt, um es aufzufangen, und Mr. Spry hatte sein Bestes getan, um das Dach auszubessern; aber wolle Mrs. Finborough, dass noch Weiteres veranlasst werde? Da Richard auf Geschäftsreise war, hatte Isabel die Gelegenheit genutzt, um in den Zug nach St. Ives zu steigen. Im Zug schaute sie zum Fenster hinaus und sah zu, wie die Häuser und Fabriken von London und Reading von Flussauen und Dörfern mit Cottages aus goldgelbem Stein abgelöst wurden. Als sie Devon erreichten, fuhr der Zug ein Stück direkt an der Küste entlang. Es war nicht dieselbe See wie Isabels, eher grau und aufgewühlt als blau und perlmuttfarben, doch ihr weitete sich das Herz.
    In St. Ives nahm sie sich für die letzte Strecke der Fahrt ein Taxi. Im Haus

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