Das Haus in den Wolken
eine Kleinigkeit. Ich habe es gesehen und musste sofort an Sie denken. Kommen Sie, machen Sie es schon auf.«
Widerstrebend öffnete sie das Päckchen. Unter dem Seidenpapier lag ein alter Regenschirmgriff aus Porzellan in Gestalt einer Frau mit einem kunstvollen Hut.
»Gefällt es Ihnen?«
»Sehr. Aber â«
»Der Hut, verstehen Sie. Ich musste an unsere erste Begegnung denken â im Regen.«
»Das ist sehr lieb von Ihnen. Aber es ist mir ernst, Sie sollen mir keine Geschenke machen.«
»Aber man darf doch einer Freundin etwas zu Weihnachten schenken.«
»Dieses eine Mal vielleicht. Aber in Zukunft nicht mehr.«
»Warum nicht?«
Sie wich seinem Blick nicht aus. »Richard, das wissen Sie doch ganz genau. Allein schon, weil Sie Ihr Geld für Ihre Familie ausgeben sollten und nicht für mich.«
»Ich bin kein armer Mann, Elaine. Ich kann es mir leisten, hin und wieder eine Kleinigkeit zu verschenken, ohne dass Frau und Kinder zu Hause verhungern.«
»Aber ich bin keine reiche Frau. Es geht mir gut, weit besser als anderen, aber ich bin nicht reich und werde es wahrscheinlich auch nie werden.«
»Umso mehr Grund für mich, Ihnen ab und zu eine Freude zu machen, ï¬nde ich.«
»Nein, Richard«, entgegnete sie fest. »Wenn wir Freunde sein wollen, müssen wir miteinander auf Augenhöhe sein.«
Wenn wir Freunde sein wollen : Es war der erste kleine Hinweis darauf, dass sie in Betracht zog, die Beziehung weiterzuführen. Sein Herz raste. ÃuÃerlich ruhig sagte er: »Aber natürlich sind wir miteinander auf Augenhöhe. Wie sollte es anders sein?«
»Nun, wenn Sie es sich zur Gewohnheit machen, mir Geschenke zu machen wie einer Fin-de-siècle-Mätresse, würden sich vermutlich die Verhältnisse verschieben.«
Sie sprach leise, in trockenem Ton, und ihre Worte bestürzten ihn.
»Richard, Sie müssen das begreifen. Ich möchte keine Geschenke, und ich will ganz bestimmt nicht Ihr Geld. Und ich möchte keine Bedrohung für Sie sein.«
Er sah ihr in die blassgrauen Augen. »Sie meinen, für meine Frau und meine Familie.«
»Ja.« Wieder runzelte sie die Stirn. »Ich bin gern mit Männern zusammen. Aber ich will â ich will nicht mehr als Kameradschaft, Freundschaft.«
»Ihr Mann fehlt Ihnen sicher noch sehr.«
»In mancher Hinsicht ja. Mir fehlen die kleinen Gemeinsamkeiten, die nur für ein Paar Bedeutung haben. Mir fehlt« â sie sah sich im Restaurant um â »das hier. Ich gehe gern zum Essen aus, aber als Frau allein ist man nicht so erwünscht. Man wird in die ï¬nstersten Ecken gesetzt und von der Bedienung ignoriert.«
»Sie haben doch sicher Freunde.«
»Nicht mehr viele.« Sie lächelte ein wenig. »Sie würden sich wundern, wie Witwenschaft die Leute abschreckt â beinahe als wäre sie ansteckend. Um ehrlich zu sein, habe ich auch nicht viel Zeit für Freunde. Ich treffe mich natürlich mit meiner Schwester Gilda, aber wir gehen nicht zum Essen aus.« Sie schwieg einen Moment. »Ich wünsche mir ganz einfach ein bisschen Glanz und ein bisschen SpaÃ.«
»Der Reiz des Neuen«, murmelte er.
»Geht es Ihnen ähnlich? Das habe ich mir fast gedacht. Ich hasse es, mich eingerostet und auf dem Abstellgleis zu fühlen.«
Der Kellner kam an den Tisch. Elaine wollte keinen Pudding, deshalb bestellte Richard Kaffee und Kognak. Als sie wieder allein waren, sagte er ruhig: »Ich denke nicht daran, meine Ehe zu gefährden.«
Die Frage hing unausgesprochen zwischen ihnen: Warum sind Sie dann hier? Sie stellte sie ihm nicht, sondern sagte: »Im Moment bin ich keinem auÃer mir selbst Rechenschaft schuldig, und das passt mir gut. Manchmal bin ich froh, mich nicht ständig nach einem Mann richten zu müssen. Viele Männer scheinen ja Selbstständigkeit bei einer Frau bedrohlich zu ï¬nden â sogar unweiblich.«
»Unweiblich werde ich Sie gewiss nie ï¬nden. Sie sind eine schöne und absolut bezaubernde Frau.« Seine Worte überraschten ihn selbst, und in leichtem Ton setzte er sogleich hinzu: »Ich erwarte nichts von Ihnen, Elaine. Ab und zu ein Glas Wein, ein Restaurantbesuch â kleine Dinge, die wir beide genieÃen.«
»Dann verstehen wir uns.« Flüchtig berührte sie seine Hand.
8
I M VORIGEN J AHR war Philip von zu Hause ausgezogen und
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