Das Haus in den Wolken
und Achat.
Das Geschenk machte sie misstrauisch. In den Jahren ihrer Ehe hatte sie gelernt, dass Richards Geschenke nicht immer ohne Hintergedanken waren. Manchmal waren sie Ablenkungsmanöver, manchmal dienten sie der Beruhigung seines Gewissens, manchmal verbargen sich dahinter unbeholfene Versuche, für etwas Wiedergutmachung zu leisten. Als ihr Argwohn einmal erwacht war, ï¬el ihr plötzlich auf, wie oft er spät aus dem Büro heimkam. Mit bangem Herzen registrierte sie sein unberechenbares Verhalten â sein grüblerisches Schweigen, seine Launen, seinen gelegentlichen Ãberschwang. Die Angst, dass ihr Glück zerbrechlich war und nicht ewig halten würde, hatte sie trotz ihrer nun schon ein Vierteljahrhundert währenden Ehe nie ganz verlassen. Die Unsicherheit saà zu tief, auÃerdem hatten sich ihre düsteren Ahnungen gelegentlich bestätigt. Richard war sich seiner Macht stets bewusst gewesen, und manchmal musste er diese Macht einfach ausspielen, ob nun im Schlafzimmer oder bei der Vorstandssitzung. In den Zwanzigerjahren hatten seine Flirts zweimal zu ï¬Ã¼chtigen Affären geführt, eine Demütigung für Isabel, die sie mit Wut und Schmerz erfüllt hatte. Beide Male war sie nach Cornwall geï¬Ã¼chtet und hatte sich geweigert, nach London zurückzukehren, solange sie sich seiner Reue und Liebe zu ihr nicht sicher sein konnte. Es sei doch überhaupt nichts von Bedeutung gewesen, hatte er sie angeschrien â als würde das es verzeihlich machen. Warum nur konnte er nicht verstehen, dass selbst ein Kuss, ein Blick, ja sogar ein Gedanke, einer anderen geschenkt, sie quälte? Warum konnte er nicht verstehen, wie tief sie die lockeren Moralvorstellungen seines Standes, der auf solche Vergnügungen und solches Machtgebaren ein Anrecht zu haben glaubte, verachtete?
Eines Abends kam Richard erst nach neun Uhr nach Hause. Als sie ihn fragte, wo er gewesen sei, und fast schon eine Ausï¬ucht erwartete, erzählte er ihr, dass ein wichtiges Geschäft kurz vor dem Abschluss stehe. In den letzten Monaten habe er die Ãbernahme einer anderen Firma vorbereitet, und es tue ihm leid, wenn er stark beschäftigt gewesen sei, aber dies sei wirklich ein bedeutsamer Schritt, ein Unternehmen von groÃer Tragweite. Er wirkte beinahe aufgedreht, während er sprach, und Isabel spürte eine Mischung aus Erleichterung und Scham über ihren Verdacht.
Doch die Erleichterung war nicht von Dauer. Sie bemerkte eine Veränderung an ihm, die sie nicht recht benennen konnte und die auch nicht mit übermäÃiger Arbeit zu erklären war. Wenn sie sich mit ihm unterhielt, hatte sie oft den Eindruck, dass er in Gedanken ganz woanders war; und wenn er sie nachts liebte, tat er es mit einer Verzweiflung, als müsste er sich von irgendetwas reinigen oder erlösen.
Der Gips wurde Ende Januar von Saras Handgelenk entfernt. Sie bewegte den Arm: Ihre Haut sah blass aus, wie geschält, neu.
Gil fuhr sie nach Ardglass, wo sie rund um den Hafen spazierten und Sara sich die Schiffe ansah, während Gil die verschiedenen Seevogelarten in sein Notizbuch schrieb. Zur Feier ihrer Genesung tranken sie ein Bier in einem weià getünchten Pub mit Blick auf eine grüne Wiese, und Gil erzählte ihr von der Studie, die er über eine neue, von Caroline Vernon gezogene Wickensorte machte. »Die Blüten sind weià mit einem gekräuselten hellblauen Rand«, erklärte er. »Oft setzen sich nicht die richtigen Farben durch, dann müssen alle Samen weggeworfen werden. Man braucht mehrere Generationen der richtigen Art, um die Blume zu bekommen, die man haben möchte. Ich versuche herauszuï¬nden, ob die Regeln der Vernon-Art auch für andere Wicken gelten. Oder ob es an der Sorte liegt.«
»Mehrfarbige Wicken sind doch sehr schön«, sagte Sara. »So lebendig und fröhlich.«
Er sah sie auf diese ernsthafte und leicht verwirrte Weise an, die sie inzwischen äuÃerst liebenswert fand, und erwiderte: »Keine Frage. Aber alles da, wo es hingehört.«
Als sie nach Raheen aufbrachen, bemerkte Sara in der Diele ï¬Ã¼chtig ihr Spiegelbild. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen glänzten, ihr Haar war windzerzaust. Sie sah glücklich aus, dachte sie.
An diesem Abend fragte ihre GroÃmutter beim Essen: »Du hast Gil sehr gern, nicht wahr, Sara?«
»Ja.« Sie fütterte den Hund, der unter dem
Weitere Kostenlose Bücher