Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
begleiten. Sie wohnen gar nicht weit von hier, nicht wahr, Fräulein Schmitz? Es wäre mir eine Ehre.»
Der Hoteldiener schien sich nichts weiter dabei zu denken und brachte Elmar Mantel und Hut. Pauline ärgerte sich maßlos. Sie hatte gehofft, den Avancen dieses Mannes entgehen zu können. Aber sein überaus zuvorkommendes Angebot abzulehnen wäre nicht nur unhöflich gewesen, sondern hätte darüber hinaus einen sonderbaren Eindruck gemacht. Wie sollte sie dem Hoteldiener erklären, dass sie mit Elmar nicht allein sein wollte?
Also fügte sie sich ergeben in ihr Schicksal und ging an der Seite des Bankierssohnes in Richtung ihrer Pension. Er bot ihr seinen Arm an, doch sie tat, als bemerke sie die Geste nicht, sondern schritt forsch voran. Er schloss sogleich zu ihr auf.
«Wir waren sehr überrascht, Sie allein hier in Bad Bertrich anzutreffen», sprach er sie an. «Ich hoffe, die Angelegenheiten, die Sie hierhergeführt haben, entwickeln sich zu Ihrer Zufriedenheit?»
«Ja, danke», antwortete Pauline und wünschte sich, es wären mehr Leute unterwegs. Doch um diese Zeit waren die Straßen von Bad Bertrich wie leergefegt.
«Wir haben uns schon gefragt, ob Sie nicht etwa hergekommen sind, weil die Veränderungen in Reuthers Haushalt Sie dazu zwingen, sich eine neue Stellung zu suchen», sprach er unbeirrt weiter. «Zumindest konnte ich vorhin ein paar Gesprächsfetzen aufschnappen, die darauf hindeuten.» Er berührte sie am Arm und brachte sie sanft dazu stehenzubleiben. «Hat Frieda Oppenheim am Ende beschlossen, dass zwei Frauen in einem Haus zu viel des Guten sind? Verstehen könnte man es. Sie sind beide jung und hübsch. Einer zukünftigen Ehefrau wird eine solche Konkurrenz direkt vor ihrer Nase sicher nicht gefallen.»
Pauline schluckte. «Sie irren sich, Herr Schnitzler. Ich bin nicht …»
«Wie man hört, soll die Hochzeit der beiden ja kurz bevorstehen. Ein nettes Paar, das muss man schon sagen. Obwohl Reuther sie vermutlich hauptsächlich wegen ihrer Mitgift nimmt. Aber warum nicht?» Er lachte selbstgefällig. «Bei seiner ersten Frau war es ebenso, wenn ich recht informiert bin. Sie hat ihm damals zum nötigen Kleingeld verholfen, um seine Fabrik aufzubauen. Und jetzt, wo er in Schwierigkeiten steckt, angelt er sich flugs eine neue, reiche Erbin.»
Er ging weiter, und Pauline war gezwungen, ihm zu folgen, wenn sie nicht allein zurückbleiben wollte. Nach wenigen Minuten, die sie schweigend zurücklegten, hatten sie die Pension erreicht. Elmar blieb stehen und wandte sich ihr wieder zu. «Sie wissen, liebe Pauline – ich darf Sie doch so nennen? –, dass mein Angebot immer noch steht. Wenn uns das Glück hold ist, werden wir schon bald Christines Niederkunft feiern dürfen. Und ganz gleich, ob es ein Sohn oder eine Tochter wird, wären Sie, liebe Pauline, unsere erste Wahl als Erzieherin. Gewiss, es ist viel zu früh, um Sie als Gouvernante einzustellen, aber Sie könnten, bis das Kind alt genug ist, als Gesellschafterin fungieren und der Hauswirtschafterin zur Hand gehen.»
Er beugte sich ein wenig in ihre Richtung und senkte die Stimme. «Christine würde Ihre Gesellschaft bestimmt genießen, und auch ich wäre sehr froh, Sie in meiner Nähe zu wissen.» Obgleich Pauline etwas zurückwich, ergriff er unvermittelt ihre Hände. «Bestimmt werden Sie bemerkt haben, dass ich Ihnen … nun, sagen wir, sehr zugetan bin. Vom ersten Augenblick an, als Sie mir damals … Als wir einander zum ersten Mal begegneten, fand ich Sie außerordentlich reizend und anziehend.»
«Herr Schnitzler.» Verlegen versuchte Pauline, sich von ihm loszumachen. «So dürfen Sie nicht reden. Sie haben gerade erst geheiratet und …»
«Und was?», unterbrach er sie abrupt. «Was hat das damit zu tun? Sicher, Christine ist eine liebenswerte Person und eine gute Ehefrau. Aber ein Mann braucht hin und wieder etwas mehr … etwas …», er trat noch näher an Pauline heran, «fürs Herz», raunte er ihr zu.
Sie schauderte leicht, als sein warmer Atem sie streifte. Mit einem Ruck entzog sie ihm ihre Hände. «Sie müssen mich jetzt entschuldigen», sagte sie hastig. «Es wird Zeit für mich …»
«Ach was, es ist noch früh», widersprach er. «Ich würde gerne noch ein bisschen mehr Zeit mit Ihnen verbringen, liebe Pauline.»
«Hören Sie …» Pauline atmete tief durch, um die aufsteigende Panik zu bekämpfen. «Das schickt sich wirklich nicht. Ich möchte jetzt gerne mein Zimmer aufsuchen –
Weitere Kostenlose Bücher