Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
allein.»
Elmar musterte sie mit einem gönnerhaften Lächeln. «Sie finden also, das schickt sich nicht? Seltsam, und ich dachte, dass ausgerechnet Sie in dieser Hinsicht nicht so empfindlich sind.»
«Wie meinen Sie das?» Erschrocken starrte sie ihn an.
Das Lächeln auf seinem Gesicht bekam etwas Triumphierendes. «Ein Kunde meines Vaters, Friedhelm Buschner, erzählte mir vor einiger Zeit interessante Dinge von einer gewissen jungen Dame, die vergangenes Jahr eine Weile bei ihm als Gouvernante eingestellt war.» Er hielt inne, musterte sie vielsagend.
Pauline wurde blass, ihr Herz schien für einen Moment auszusetzen. «Friedhelm … Buschner?», stammelte sie. «Wie …?»
«Er legt sein Geld schon seit Jahren in unserem Bankhaus an», erklärte Elmar. «Deshalb treffen wir uns recht häufig bei gesellschaftlichen Ereignissen. Er war, nun ja, ein wenig enttäuscht, wie sich die Dinge zwischen Ihnen damals entwickelt haben. Natürlich konnten Sie nach der Entdeckung durch seine Frau nicht mehr dort bleiben. Aber seien Sie versichert: In meinem Hause wird es nicht dazu kommen. Ich schätze Diskretion ebenso wie Sie, liebe Pauline. Und ganz sicher werden Sie mir zustimmen, dass eine Anstellung bei uns für alle Beteiligten nur von Vorteil sein kann. Schließlich …», er blickte sie eindringlich an, «… könnte ich andernfalls versucht sein, in der hiesigen wie auch der Kölner Gesellschaft die eine oder andere Bemerkung über Ihren zweifelhaften Lebenswandel fallenzulassen.»
«Das würden Sie nicht wagen!», rief Pauline erstickt. «Wie können Sie mir nur mit so etwas drohen?»
«Ich will dich, Pauline», antwortete er mit gesenkter Stimme. «Und ich werde dich bekommen. Das weißt du genauso gut wie ich. Dir bleibt keine andere Wahl. Ich erwarte dich morgen Vormittag als Besucherin meiner Frau. Danach möchte ich gerne ein kleines, privates Gespräch mit dir führen. Es wird nicht zu deinem Nachteil sein, das verspreche ich dir.» Er verbeugte sich artig, da in diesem Moment eine Kutsche in der Nähe anhielt, aus der die Bewohner eines Nachbarhauses ausstiegen. «Liebes Fräulein Pauline, es war mir eine Ehre, Sie nach Hause begleiten zu dürfen. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe und – auf bald!» Mit siegessicherem Grinsen ging er davon.
Pauline stand wie versteinert da und blickte ihm hinterher.
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Kapitel 28
«Papa, wie konntest du nur», rief Frieda aufgebracht. Am frühen Vormittag war Julius zu ihr gekommen, der nach der überraschenden Nachricht vom Vortag umgehend mit Friedrich Oppenheim sprechen wollte. Gemeinsam hatten sie Friedas Vater aufgesucht.
Julius stellte ihn ohne Umschweife zur Rede. Doch ehe Oppenheim sich äußern konnte, hatte Frieda das Wort ergriffen. «Ich kann gar nicht begreifen, wie du etwas so Scheußliches tun konntest. Warum wolltest du Julius Schaden zufügen?»
Oppenheim saß hinter seinem Schreibpult, die Hände vor sich gefaltet, und wirkte betroffen. Er blickte von Frieda zu Julius und sagte schließlich: «Es tut mir leid, Reuther. Es war eine dumme Idee, und Sie müssen mir glauben, dass ich zu keiner Zeit vorhatte, Ihnen zu schaden.»
«Das hast du aber, Papa. Ich kann nicht glauben …»
«Frieda, bitte sei für einen Moment still», unterbrach Oppenheim seine entrüstete Tochter. «Ich möchte deinem … Ich schulde Herrn Reuther eine Erklärung, und die soll er auch bekommen.» Er schüttelte den Kopf. «Wie gesagt, die Idee war wohl nicht die beste. Ich verstehe Ihre Wut, möchte Sie dennoch bitten, mir zuzuhören.»
Finster musterte Julius den älteren Mann. Er musste sehr an sich halten, um seinen Zorn über Oppenheims Tun im Zaum zu halten. Schließlich nickte er knapp. «Reden Sie.»
Oppenheim atmete auf. «Sehen Sie, Reuther, ich bin kein sentimentaler Mann. Aber es gibt einige Ereignisse in meiner Vergangenheit, die ich immer bedauern werde. Eines davon ist, dass ich es nie gewagt habe, um die Hand Ihrer Frau Mutter anzuhalten.»
«Meiner Mutter?» Julius war verblüfft.
«Sie hätte mich vermutlich gar nicht genommen, denn sie war Ihrem Vater, Julius, mehr als zugetan. Aber ich habe es seinerzeit nicht einmal versucht. Sie war nur die Tochter eines einfachen Webers, der für uns gearbeitet hat, aber jung, hübsch, offen und heiter. Sie wusste nicht, was ich für sie empfand, weiß es heute nicht und braucht es auch nicht zu erfahren. Ich war zu feige, um mich meinem Vater gegenüber zu behaupten. Er
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