Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
verschiedenen Geschäften zu drängen.»
«Das ist ja ungeheuerlich!», rief Frieda. «Und Sie wissen nicht, wer dahinterstecken könnte?»
«Bisher gibt es nur wenige Anhaltspunkte», bestätigte Julius. «Deshalb …» Er hielt inne, als Jakob in der Wohnzimmertür erschien. «Ja, Köbes, was gibt’s?»
Der Hausdiener trat näher. «Da ist ein Herr an der Tür, der Sie zu sprechen wünscht. Sein Name ist Leyndecker, und er sagt, er sei Detektiv.»
Julius erhob sich eilig. «Entschuldigt mich, das hier ist sehr wichtig. Ich bin gleich zurück.» Er verließ den Raum, ohne die Tür hinter sich zu schließen.
Julius durchquerte die Diele und winkte den vierschrötigen Mann, dessen graues Haupthaar sich bereits stark lichtete, näher zu sich heran. «Gibt es Neuigkeiten, Herr Leyndecker?», fragte er ohne Gruß. «Ich dachte, wir wären erst für Montag verabredet.»
«Guten Tag, Herr Reuther», antwortete der Detektiv. «Sie haben recht, aber was ich inzwischen erfahren habe, dürfte Sie interessieren.»
«Und das wäre?»
Leyndecker machte eine ausholende Bewegung. «Ich konnte herausfinden, wer hinter den Unstimmigkeiten bezüglich Ihres Grundstücks in Nippes steckt. Es ist gar nicht Alfred Lungenberg, oder vielmehr nicht er allein, denn er hat den Grund mitsamt seiner Ziegelei vor einiger Zeit verkauft. Für die Schwierigkeiten mit den Grenzsteinen dürfen Sie sich bei dem neuen Besitzer bedanken.»
Julius runzelte die Stirn. «Und der wäre?»
Leyndecker blickte ihn bedeutungsvoll an. «Friedrich Oppenheim.»
***
Pauline versuchte schon seit einer Stunde, sich auf die Handarbeit in ihrem Schoß zu konzentrieren. Sie hatte sich ein paar braune Taftbänder gekauft, mit denen sie ihre Schute aufzuhübschen gedachte. Jetzt, da sie wieder ohne ein festes Einkommen dastand, musste sie sparsam mit ihrem Geld umgehen und die Kleidung, die sie besaß, mit Sorgfalt behandeln.
Die Schute wollte sie am Abend auf dem Weg zur Soiree tragen, doch damit sie zum Kleid passte, das die Wirtin ihr freundlicherweise hatte bügeln lassen, wollte sie das geblümte Schmuckband durch ein braunes ersetzen.
Das Wetter war trist, und die Wolken hingen tief, sodass nur wenig Licht in das Zimmer fiel. Pauline hatte sich dicht an das kleine Fenster gesetzt, um etwas sehen zu können. Ihre Augen tränten ob der Anstrengung, im Zwielicht zu arbeiten, und des fehlenden Schlafs. Sie hatte in der vergangenen Nacht nicht zur Ruhe gefunden, obwohl sie sich wieder und wieder vorgebetet hatte, dass sie das Vernünftigste getan hatte, was in ihrer Situation möglich gewesen war. Viel lieber hätte sie alle Vernunft beiseitegeschoben, so wie Julius es von ihr verlangt hatte. Hätte sie ihm wirklich sagen sollen, dass er Frieda nicht heiraten sollte? Aber was wäre gewesen, wenn er deshalb tatsächlich seine Fabrik verloren hätte? Nein, so wie es jetzt war, war es für alle Beteiligten besser. Dummerweise gesellte sich inzwischen zu ihrer Sehnsucht nach Julius ein unerträglich schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber. Sie hatte den beiden versprochen, immer für sie da zu sein. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie ein Versprechen gebrochen. Und so anstrengend die beiden auch sein konnten, Pauline vermisste Ricarda und Peter ebenso sehr wie deren Vater. Sie hatte in Köln eine Familie gefunden, das war ihr schmerzlich bewusst geworden. Eine Familie, die sie ebenso sehr brauchte wie umgekehrt. Nun würde Frieda ihren Platz einnehmen. Nein, nicht ganz. Sie würde Herrin im Haus in der Löwengasse werden.
Pauline ließ die Handarbeit sinken und blickte nach draußen, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Warum fühlte sich dieser Gedanke nur so falsch an? Sie hatte so viel Zeit damit verbracht, Frieda davon zu überzeugen, dass Julius der perfekte Schwiegersohn der Familie Oppenheim wäre. Frieda, der sie in inniger Freundschaft verbunden war, der sie alles Glück der Welt gönnte. Ausgerechnet sie konnte und wollte Pauline sich nicht an Julius’ Seite vorstellen.
Ein leises Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Rasch stand sie auf, legte die Bänder beiseite und öffnete die Tür. Regine Breitenbach stand vor ihr. «Entschuldigen Sie die Störung, Fräulein Schmitz, aber da ist ein junger Herr unten, der Sie gerne sprechen möchte. Soll ich ihn zu Ihnen heraufschicken?» Ihr Blick besagte deutlich, dass sie diese Möglichkeit als äußerst unschicklich betrachtete.
Pauline schüttelte sofort den Kopf. «Nein, ich komme nach unten. Wer
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