Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
an.
Pauline schob sich den Feuerwerkskörper in die Tasche ihrer Schürze, dann stemmte sie die Hände in die Seiten und fixierte die Missetäter. «Was sollte das denn? Wolltet ihr das Haus in Brand setzen?»
«Nein, Pauline.» Hans schob beide Hände in seine Hosentaschen.
«Was dann?» Paulines Stimme blieb weiterhin ungewöhnlich hart. Julius war erstaunt, dass sie überhaupt in solchem Tonfall reden konnte. «Wisst ihr, wie gefährlich solche Feuerwerkskörper sind? Wo habt ihr den überhaupt her?»
«Aus Papas Laden», gab Hans zu.
«Und wessen Idee war es, ihn anzuzünden?»
«Meine.» Sagten die Jungen gleichzeitig, sahen einander an und grinsten. Jedoch nur kurz, denn unvermittelt packte Pauline jeden der beiden Jungen fest an einem Oberarm.
«Ihr findet das also auch noch lustig, ja? Dann wartet, bis ich euren Vätern erzählt habe, was ihr hier getrieben habt. Sie werden euch dann schon die rechte Abreibung verpassen.»
Entgeistert starrten beide Jungen sie an.
«N-nein, bitte nicht», stotterte Hans. «Papa wird mir den Hintern versohlen.» Julius war sich auf die Entfernung nicht sicher, aber es sah aus, als stiegen dem Kleinen Tränen in die Augen.
«Ich hab keine Angst», sagte Peter zu Julius’ Überraschung mit deutlichem Trotz in der Stimme. «Sie haben mir nämlich gar nichts zu sagen. Und Papa wird Ihnen auch bestimmt nicht glauben. Und selbst wenn, interessiert es ihn gar nicht.»
Julius verschlug es die Sprache. Nicht nur wegen der unglaublichen Frechheit, die sein Sohn an den Tag legte, sondern auch vor Verblüffung über Peters Einschätzung der Lage. Schon wollte er vortreten, um sich einzumischen, hielt sich jedoch erneut zurück, als Pauline Hans losließ und sich nun Peter allein vorknöpfte.
«Nun hör mir mal gut zu, mein Junge», sagte sie mit strenger Stimme. «Ich mag nicht für deinen Vater arbeiten, aber solange du dich im Hause meiner Herrschaft aufhältst, bin ich für dich mitverantwortlich. Und das bedeutet im Umkehrschluss, dass du mir zu gehorchen hast. Selbst wenn es stimmt, was du über deinen Vater sagst, heißt das noch lange nicht, dass du dich hier aufführen kannst wie ein kleiner Wilder. Abgesehen davon bin ich überzeugt, dass dein Vater höchst überrascht wäre, wenn er dich so reden hörte.»
«Mir doch egal.» Peter schob die Unterlippe vor, aber sein Ton war schon etwas unsicherer geworden. Pauline hatte es ebenfalls bemerkt und schlug weiter in dieselbe Kerbe. «Nun gut, dann ist es dir eben egal. Mir aber nicht. Denn wenn du vorhast, dich weiter so ungezogen zu benehmen, dann schadest du damit auch deiner Schwester.»
Peter blickte erstaunt zu ihr auf.
Unbeeindruckt sprach sie weiter: «Du machst auf Änne und die anderen Mädchen einen ganz schlimmen Eindruck. Das erzählen sie ihren Eltern, und dann werden die schlimme Gerüchte über dich und deine Schwester in Umlauf bringen. Wenn deine Schwester nicht mehr eingeladen wird, wird sie sehr traurig sein.»
Nun begann Peters Kinn leicht zu zittern.
Pauline fixierte ihn weiter. «Weißt du, wohin das führen kann? Man wird nicht nur über euch reden, sondern die Schuld für dein schlimmes Verhalten deinem Vater zuschreiben. Man wird ihn verlachen, vielleicht sogar schneiden. Und das schadet seinem Geschäft.» Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. «Und deshalb darf es dir keineswegs egal sein, was du in Gesellschaft für einen Eindruck hinterlässt. Der färbt nämlich immer auf die ab, die dir nahestehen. Und du willst bestimmt weder deinem Vater noch deiner Schwester Schande machen?»
Peter presste die Lippen fest zusammen, dann sprach er plötzlich: «Wir wollten nur ausprobieren, wie eine richtige Kanonenkugel knallt. Und in Feuerwerkskörpern ist doch Schwarzpulver, genau wie bei echten Geschossen.»
Pauline ließ ihn los und richtete sich wieder auf. «Und ihr dachtet, das wäre weniger schlimm, als mit Murmeln zu schießen?» Sie wandte sich an Hans. «Gib mir die Kanone. Du erhältst sie erst zurück, wenn du dich mindestens eine Woche lang anständig benommen und keinen Streich ausgeheckt hast.»
«Ja, Pauline.» Geknickt bückte sich Hans und gab ihr das Spielzeug. Zu gerne hätte Julius es gesehen, wenn sie auch Peter eine Strafe aufgebrummt hätte, doch das war leider nicht möglich. Und wenn er nicht verraten wollte, dass er die ganze Zeit gelauscht hatte, musste er selbst auch darauf verzichten. Allerdings schien es ihm, als habe Paulines Standpauke Eindruck auf seinen Sohn
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