Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
gemacht. Zumindest stand Peter mit hängendem Kopf vor ihr.
Nachdenklich blickte Pauline die zwei Jungen an, dann sagte sie: «Ich denke, es wäre besser, wenn ihr hinauf in dein Zimmer geht, Hans. Aber wehe, wenn ich einen Mucks von euch höre!»
Julius sah seine Gelegenheit gekommen und trat so unauffällig wie möglich aus dem Schatten der Nische hervor. «Ach, da bist du ja, Peter», sagte er, als habe er die vorherige Szene nicht miterlebt. «Wir werden gleich aufbrechen. Geh bitte und sag deiner Schwester, dass sie sich fertig machen soll. Ich werde mich derweil bei unserer Gastgeberin bedanken.»
Pauline war bei seinem plötzlichen Auftauchen nur ein wenig zusammengezuckt, sein Sohn hingegen starrte ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Da Julius nicht zu erkennen gab, dass er den Vorfall mitbekommen hatte, nickte Peter schließlich rasch und stob davon.
«Ich geh in mein Zimmer», piepste Hans und ergriff ebenfalls die Flucht.
Julius blickte ihm kurz nach, dann wandte er sich an Pauline. «Ich hoffe, mein Sohn war heute brav.» Pauline zog die Augenbrauen ein wenig zusammen und antwortete: «Ja, gnädiger Herr.»
«Das freut mich.» Er ging in Richtung Salontür. «Wenn Sie so freundlich wären, unsere Mäntel zu holen …»
«Natürlich, gnädiger Herr.»
Pauline eilte davon. Julius klopfte an und betrat den Salon, um sich zu verabschieden.
Pauline half den beiden Kindern in ihre Wintermäntel und Mützen. Julius wartete bereits an der Tür und tauschte noch ein paar Höflichkeiten mit der Hausherrin aus. Nachdem sich Frau Stein wieder nach oben in den Salon begeben hatte, hielt Pauline ihnen die Tür auf. Sofort rannten die Kinder auf die Straße. Julius blieb kurz stehen. Ohne eine Miene zu verziehen, sagte er: «Sie haben meinem Sohn gegenüber ganz schön dick aufgetragen.»
Pauline atmete scharf ein, hielt seinem Blick aber stand. «Sie haben uns belauscht.» Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Julius legte überrascht den Kopf schräg. «Das wussten Sie die ganze Zeit?»
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. «Ihr Schatten fiel auf den Dielenboden.» Ein wenig verkrampften sich ihre Finger um ihre Oberarme. «Werden Sie ihn bestrafen?»
Julius hob die Brauen. «Wofür?»
Überrascht ließ sie die Arme sinken. «Sie meinen …»
«Ich weiß von nichts.» Er nickte ihr knapp zu und ging davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
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Kapitel 8
Da Pauline gerade dabei war, Kerzen in den großen Ständer auf dem Kaminsims im Salon einzupassen, achtete sie nicht auf die Stimmen in der Diele, drehte sich jedoch um, als sie von der Salontür her ihren Namen hörte.
«Pauline, komm mal her», rief Elfie ihr leise zu. «Da ist jemand für dich.»
«Für mich?» Verblüfft legte Pauline die Kerzen beiseite. «Wer ist denn da? Ich kenne doch gar niemanden …»
Elfie kicherte gehässig. «Das hat dich aber nicht daran gehindert, dich bei den hohen Herrschaften unbeliebt zu machen.»
«Was meinst du damit?» Pauline eilte erschrocken hinter ihr her.
«Na, was schon. Du kriegst Ärger. Wart’s nur ab.»
«Aber weshalb denn um Himmels willen?»
«Weiß ich doch nicht. Geh selbst runter und frag!» Elfie grinste vielsagend und verschwand in Richtung Küche.
Pauline wusste sich keinen Reim darauf zu machen, erst recht nicht, als sie unten an der Haustür ein ihr unbekanntes Dienstmädchen erblickte. Pauline schätzte sie auf Ende dreißig; die Wangen waren rundlich, und das dunkelblonde Haar hatte sie zu einem Knoten hochgebunden. Ihre gesamte Erscheinung war eher unscheinbar. «Ja bitte?», fragte Pauline.
«Sie sin’ Pauline Schmitz?» Die Fremde sprach mit breitem Kölner Dialekt.
Pauline nickte. «Die bin ich. Was kann ich für Sie tun?»
Die Fremde lachte. «Das förmliche Sie können Sie vergessen. Ich bin die Kathrin un’ komm aus ’m Hause Reuther. Der gnädige Herr will, dass Sie ihn aufsuchen. Möglichst heut’ noch, wenn es geht.»
Pauline wurde etwas mulmig zumute. «Herr Reuther schickt nach mir? Hat er gesagt, weshalb?»
«Näh, hat er nich’. Nur dass es wichtig wär, hat er gemeint.»
«Ach.» Pauline rieb sich über die Stirn. «Ja, also, ich weiß nicht …»
«Was ist denn, was ist denn? Warum steht bei dieser Kälte so lange die Haustür offen?», beschwerte Ariane Stein sich, die in diesem Moment die Treppe herunterkam. Sie hatte sich in einen dicken Mantel gehüllt und offenbar vor auszugehen.
«Entschuldigen Sie, gnädige
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