Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
draußen waren sie aber sicherlich auch nicht gegangen, denn sonst hätte Heiner, der mit dem Pflegen der Außenanlagen beschäftigt war, sie längst wieder hineingeschickt.
Mit einem unguten Gefühl schaute sie in den Salon. Die Damen waren in ihre Gespräche vertieft. Im kleinen Salon nebenan saßen die wenigen Herren, die man eingeladen hatte, mit Herrn Stein zusammen. Dort hinein waren die Jungen gewiss nicht gegangen. Wo also mochten sie stecken? Hoffentlich waren sie nicht hinunter in den Laden geschlichen, der am heutigen Sonntag natürlich geschlossen war. Nicht auszudenken, welchen Unfug die beiden dort anstellen mochten! Entschlossen, das Schlimmste zu verhindern, stieg Pauline die Treppe hinab, um die beiden aufzuspüren.
***
«Nein, nein, machen Sie sich keine Umstände! Ich finde die beiden schon allein.» Julius hob die Hand, um Stein daran zu hindern, ihm nach draußen zu folgen. «Ich danke Ihnen für die Einladung. Sicher hat Ricarda die Gesellschaft Ihrer Tochter und der anderen Mädchen genossen. Und Peter wird mit Hans bestimmt einen vergnüglichen Nachmittag verlebt haben.»
«Davon bin ich überzeugt», antwortete Stein. «Ich hoffe, Sie beehren uns bald wieder! Im Dezember wird es eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Veranstaltungen geben. Ich glaube, allein drei oder vier Bälle. Das wäre doch genau das Richtige für Sie, mein lieber Reuther. Sie möchten bestimmt nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag Junggeselle bleiben?»
«Witwer», antwortete Julius mit angestrengter Freundlichkeit.
«Was auch immer.» Stein winkte ab. «Sie sollten sich eine hübsche, vermögende junge Dame suchen. Gewiss gibt es genügend, die liebend gerne den Namen Reuther annehmen würden.»
«Vermutlich.» Julius musste sich gewaltig anstrengen, seine freundliche Miene aufrechtzuerhalten. «Wir werden sehen. Auf Wiedersehen, die Herren.» Er nickte in die Runde der fünf Männer, die es sich in den Sesseln des kleinen Salons gemütlich gemacht und bis jetzt über die letzten politischen Entwicklungen diskutiert hatten.
Die Herren erwiderten den Abschiedsgruß, und Julius beeilte sich, die Tür hinter sich zu schließen. Nun galt es, seine beiden Kinder einzusammeln und endlich nach Hause zu fahren. Er beschloss, es zunächst mit seinem Sohn zu versuchen. Wo mochte der sich herumtreiben? Spontan hielt Julius Ausschau nach Pauline, denn er vermutete, dass sie am besten wusste, was hier im Hause vorging. Doch sie war nirgends zu entdecken, und die entnervt wirkende Elfie, die gerade mit einem Arm voller Spielsachen an ihm vorübereilte, konnte ihm auch keine Auskunft geben. Sie verschwand kurz in einem Seitenzimmer und hastete dann zurück in den Salon, wo sich ihre Schützlinge offenbar aufhielten. Da er nicht einfach das Haus nach den Jungen absuchen konnte, folgte er seinem Gefühl, das ihm sagte, kleine Jungen würden sich nach einem langen Nachmittag vielleicht in der Küche stärken wollen. Dort werkelte allerdings nur die Köchin. Von irgendwoher vernahm er da ein leises Klappern und Klacken. Neugierig näherte er sich der Hintertür. Waren die Jungen trotz der Kälte draußen? Falls ja, würde er mit Peter ein ernstes Wörtchen reden müssen. Immerhin war dieser erst seit wenigen Tagen von seiner schweren Erkältung genesen.
Als sich die Hintertür öffnete, wich Julius zwei Schritte zurück und fand sich im Eingang zur Speisekammer wieder. Die zwei Jungen liefen an ihm vorüber, ohne ihn zu bemerken. Sie waren aufgeregt und schienen etwas ausgeheckt zu haben. Amüsiert und ein wenig neugierig schlich Julius hinter ihnen her und verbarg sich in einer Nische unter dem Treppenaufgang. Die Jungen hatten sich unweit der Salontür auf den Boden gehockt und hantierten mit etwas herum, das aussah wie eine Spielzeug-Kanone.
Julius runzelte die Stirn und versuchte zu erkennen, was sie da taten. Etwas zischte leise, dann sah er eine kleine Flamme aufleuchten. Entsetzt schnappte er nach Luft, als er sah, was der eine von beiden in der Hand hielt: einen Feuerwerkskörper!
Im gleichen Moment hörte er Schritte von unten heraufkommen und Paulines Stimme. «Da seid ihr ja! Ich dachte schon, ihr wäret …» Sie stockte. «Um Himmels willen!», rief sie leise. «Was macht ihr denn da?» Mit wenigen Schritten war sie bei den Jungen, griff sich den Knaller, riss die brennende Zündschnur beherzt mit einem Ruck heraus und trat die Flamme mit der Schuhsohle aus.
Die Jungen starrten sie erschrocken und sprachlos
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