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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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«Sie werden für Ricardas und Peters Erziehung verantwortlich sein. Sorgen Sie dafür, dass beide eine gute Figur bei ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen machen. Außerdem sind Sie für ihre Bildung zuständig. Ich halte nicht viel von den Allgemeinplätzen, die die Schulen lehren. Sowohl Peter als auch Ricarda sollen umfangreich in Literatur, Fremdsprachen, den Wissenschaften und den Künsten unterrichtet werden.» Er ließ die Worte einen Moment wirken, dann fuhr er fort: «Sonntags haben Sie selbstverständlich frei, es sei denn, wir haben gesellschaftliche Verpflichtungen. Da die Kinder morgens in der Schule sind, wünsche ich, dass Sie, Fräulein Schmitz, auch meiner Haushälterin Berthe ein wenig unterstützend zur Hand gehen. Sie ist nicht mehr die Jüngste und ein bisschen schwierig.
    Sie sehen also, Ihre Position wäre sozusagen die einer Dame des Hauses, nicht nur einer Gouvernante. Und bevor Sie anfangen, sich Sorgen zu machen – Ihre Dienste enden, sobald die Kinder im Bett liegen, und erstrecken sich nur auf die beiden und den Haushalt. Ich wünsche nicht, eine irgendwie geartete persönliche Beziehung zu Ihnen aufzunehmen. Im Gegenteil – mir wäre es höchst recht, wenn Sie sich mir gegenüber möglichst unsichtbar machen und mir den Rücken freihielten. Dafür und für eine ausgezeichnete Erziehung und Ausbildung meiner beiden Kinder bin ich bereit, Ihnen zwölf Mark im Monat sowie eine Weihnachtsgratifikation und einmalig eine neue Garderobe zu bezahlen. In den Fetzen, die Sie jetzt tragen, kann ich Sie hier nicht herumlaufen lassen. Das würde keinen guten Eindruck machen.»
    Pauline hatte seinem Vortrag mit sichtlich wachsendem Erstaunen gelauscht. Jetzt räusperte sie sich. «Wie kommen Sie darauf, dass ich Ihren hohen Ansprüchen gerecht werden könnte?»
    Julius unterdrückte ein Lächeln. «Ich habe Sie in Aktion gesehen, schon vergessen? Außerdem habe ich mir erlaubt, ein paar Erkundigungen über Sie einzuziehen.»
    «Erkundigungen?» Pauline wurde sichtlich unwohl. Die Röte in ihren Wangen wich einer geisterhaften Blässe. Fahrig spielte sie an einer Falte ihres Rocks herum.
    Julius beschloss, ihr ein wenig mehr Raum zum Atmen zu geben, und kehrte an seinen Schreibtisch zurück, lehnte sich erneut dagegen. «Pauline Schmitz, geboren am zwölften Mai 1800 in Bad Bertrich, Tochter von Marsilius und Annemarie Schmitz. Ihre Eltern verstarben bei einem Unfall, als Sie noch ein kleines Mädchen waren, also wurden Sie fortan vom Bruder Ihres Vaters, Theobald Schmitz, aufgezogen. Er führte bis zu seinem Tod vor einigen Monaten erfolgreich eine Arztpraxis in Bad Bertrich und hat sich vor allem als Badearzt für Lungen- und Herzkrankheiten einen Namen gemacht. Da er unverheiratet war, erhielten Sie seine volle Aufmerksamkeit und sein Wohlwollen, weshalb er Ihnen eine überdurchschnittlich gute Ausbildung zuteilwerden ließ. Leider verabsäumte er es, Sie rechtzeitig einem rechtschaffenen und wohlhabenden Mann anzuverloben.»
    Pauline starrte ihn nur an, was ihn erneut erheiterte, doch das ließ er sich weiterhin nicht anmerken. «Nach dem Tode Ihres Onkels, bei dem Ihr Vetter den Großteil des Erbes eingestrichen hat, traten Sie in den Dienst der Bonner Familie Buschner, aus dem Sie jedoch schon drei Monate später wieder entlassen wurden.» Er schwieg und machte ihr damit klar, dass er mehr über die Sache wusste, als er aussprach.
    Paulines Lippen zitterten kurz, doch sie hatte sich bewundernswert unter Kontrolle. Ihre Stimme blieb klar und schwankte nicht. «Sie wollen wirklich, dass ich hier als Gouvernante anfange? Ich meine, obwohl ich …»
    Julius nickte. «Vielleicht gerade deswegen.»
    «Was meinen Sie damit?» Erschrocken wich Pauline bis zur Tür zurück.
    Julius seufzte. Er war nicht sonderlich gut darin, sich auszudrücken. Nun hatte er sie verschreckt. «Sie wissen, was sich gehört, Fräulein Schmitz. Ich weiß es ebenfalls; aber einige – oder sagen wir lieber viele – Leute wissen es nicht. Dienstboten werden gerne von den Hausvorständen als Freiwild betrachtet. Nicht in meinem Haus, das kann ich Ihnen versichern. Aus dem, was mein Detektiv herausgefunden hat …»
    «Detektiv?», unterbrach sie ihn erschrocken.
    Julius ging nicht darauf ein. «… schließe ich, dass Sie sich in eine unschöne Lage gebracht haben, aus der Sie aber zu entfliehen versuchten und dafür mit einem unehrenhaften Rauswurf bezahlen mussten. Liege ich richtig?»
    Erneut verfärbten sich

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