Das Haus in Georgetown
Brünette Ende vierzig, wirkte fasziniert. „Mit allem Drum und Dran?“
Faith freute sich, jemandem davon erzählen zu können. „Mir schwebt allerhand vor. Fotos, Grundrisse, Faksimiles von Dokumenten, vielleicht sogar ein Aquarell oder eine Kohlezeichnung auf dem Titel.“
„Das klingt nach einem richtigen Buch“, meinte Pavel.
„Ich denke schon. Ich möchte, dass es ein Andenken wird, das von Generation zu Generation weitergereicht wird. Die jeweils neuen Besitzer sollen die Geschichte nicht jedes Mal aufs Neue rekonstruieren müssen.“
Joan lehnte sich zurück und schob den noch halb vollen Teller mit Meeresfrüchte-Linguine von sich fort. „Und als Nächstes widmen Sie sich meinem Haus, ja?“
Faith hoffte, dass das ein Witz war. „Ich kann in Stichpunkten aufschreiben, wie man an die Informationen kommt, und Ihnen etwas helfen, das Ganze zu strukturieren.“
„Ich meine das ernst. Wären Sie bereit, die Geschichte unseres Hauses aufzuzeichnen?“ Bevor Faith sich irgendwie aus der Affäre ziehen konnte, fügte Joan hinzu: „Ich bitte Sie nicht um einen Freundschaftsdienst. Ihnen macht so etwas offenkundig Spaß, und Sie haben erzählt, dass Sie Arbeit suchen. Warum machen Sie nicht Ihr Hobby zum Beruf?“
Carter Melvin arbeitete in der PR-Abteilung von „Scavenger“ und war nur einen Hauch förmlicher als sein Chef. „Jeder karrierebewusste Angestellte möchte damit prahlen, wer in seinem Reihenhäuschen schon alles gelebt hat und gestorben ist. Allein Georgetown könnte Sie auf Jahre hinaus beschäftigen. Zum Teufel, Jack Kennedy hat in der Hälfte der Häuser gewohnt – und die andere Hälfte besucht.“
Faith fiel Nancy Reagans Freundin ein, die ihr gestanden hatte, wie gerne sie diese Nachforschungen an irgendwen delegieren würde. Nancys Freundin, die vermutlich jeden Fantasiepreis gezahlt hätte, um sich dieser Last zu entledigen, und die das fertige Produkt überall herumgezeigt und ihren Freundinnen verraten hätte, wie man die Verfasserin erreicht. Und es gab viele Leute wie sie.
„Auch ich würde dich engagieren“, sagte Pavel. „Und zwar nicht, um dir einen Gefallen zu tun, sondern weil ich wirklich neugierig auf das bin, was du herausfinden würdest.“
„Ich begreife allmählich, wie ,Scavenger‘ entstanden ist“, meinte Faith.
Die anderen lachten gutmütig und wechselten dann das Thema.
Aber für Faith war das kein Scherz. Der Gedanke hatte sie den ganzen Abend nicht mehr losgelassen. Sie brauchte Arbeit, am besten eine, bei der sie ihre zahlreichen Kontakte in der Stadt nutzen konnte. Sie hatte einen Abschluss in Geschichte – zwar in europäischer Geschichte, aber was machte das schon? Sie hatte gelernt, wie man sich Quellen erschloss und sie auswertete. Auch wenn ihre Themen früher andere gewesen waren, die Methodik ließ sich auch auf Lokalgeschichte anwenden.
Und wie schön müsste es sein, zu Hause zu arbeiten, da zu sein, wenn die Kinder aus der Schule kamen, präsent zu sein, wenn sie ihre Hilfe brauchten. Richtige Kinder waren sie zwar kaum noch, aber sie mussten noch immer beaufsichtigt und unterstützt werden.
Natürlich würde sie viel dazulernen müssen. Dass die Aussicht auf all die Arbeit sie nicht schreckte, zeigte ihr, wie sehr der Gedanke sie schon gefangen genommen hatte.
Als die Kinder hereinspazierten, ihre Großmutter im Schlepptau, war Faith bester Dinge. Gutes Essen. Neue Freunde. Eine mögliche Lösung ihres Jobproblems. Und Pavel Quinn, der natürlich nicht ans Ende dieser Liste gehörte.
„Du scheinst einen netten Abend verbracht zu haben“, sagte Lydia.
Remy musterte Faith kühl. Ihre Tochter freute sich offenbar gar nicht darüber, dass sie sich amüsiert hatte. „Ja, es war sehr nett.“ Faith beschrieb ausführlich, was sie gegessen hatten.
Die Kinder verschwanden nach oben und kabbelten sich, wer als Erster ins Bad durfte, und Lydia brach wieder nach Great Falls auf. Faith schaltete überall das Licht aus und kontrollierte, ob alle Türen und Fenster verschlossen waren; dann ging auch sie nach oben.
Eine Stunde später, nachdem die Kinder ihre Türen endgültig hinter sich zugezogen und allen Zank auf morgen vertagt hatten, lag sie noch immer wach im Bett und starrte die Decke an.
In ein paar Monaten würde sie geschieden sein. Nachdem sie David mit Abraham Stein ertappt hatte, hätte sie schwören können, dass sie sich nie wieder auf einen Mann einlassen würde. Noch einmal zu heiraten, das konnte sie sich immer noch
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