Das Haus in Georgetown
schwarz-weißes und eines mit einer Art Schildpatt-Muster, und machte es sich dann selbst in der Schublade bequem. Es gab also ein Jungtier mehr, als sie vermutet hatten.
„So endet das Märchen vom Geisterbaby auf dem Dachboden“, sagte Faith. „Morgen bringe ich sie zum Tierarzt.“ Sie tauchte einmal kurz in die mörderische Hitze des Speichers ein, um das Katzenstreu, den Fress- und den Trinknapf zu holen.
Die Kinder verschwanden wieder in ihren Zimmern, Remy mit den Katzenutensilien und einer für sie ungewöhnlich guten Laune.
Faith lächelte. Nachdem sie die Sicherung wieder eingeschraubt hatte und der Ventilator wieder arbeitete, ging Faith zu Bett. Sie wusste, dass sie vorerst keinen Schlaf finden würde. Ihr Blick fiel auf den Papierstapel neben ihrem Bett, und sie rang mit sich, ob sie die Artikel, die Dorothy ihr kopiert hatte, durchsehen sollte.
Schließlich lehnte sie sich an ein Kissen und ergriff den Stapel. Während das Haus in nächtlicher Stille versank, brachte sie die Kopien in eine chronologische Reihenfolge. Zwar hatte Dorothy nur einen kleinen Teil des verfügbaren Materials kopiert, aber er reichte, um sich ein Bild von den Berichten zu machen, die in den Wochen nach Hopes Entführung auf den Titelseiten gestanden hatten.
„Hope is lost.“ Faith schüttelte den Kopf und fragte sich, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn Hope nicht verloren gegangen wäre, wenn sie mit einer Schwester aufgewachsen wäre, der sie sich hätte anvertrauen und mit der sie hätte streiten können – und die ihr zur Seite gestanden hätte, wenn der Hustonsche Haussegen mal wieder besonders schief hing. Vielleicht hätte sie dann mehr Rückgrat entwickelt.
„Am 18. Juli wurde die neugeborene Tochter des Kongressabgeordneten Joe Huston und seiner Frau Lydia, geborene Charles, aus dem Haus der Familie in Georgetown entführt.“
Faith schaute sich mit glasigem Blick im Raum um. Sie seufzte und wandte sich wieder dem Artikel zu. Nachdem sie einen weiteren Absatz gelesen hatte, legte sie die Kopie für morgen beiseite und stand auf, um ihr Lieblingsbuch mit Dave-Barry-Kolumnenzu suchen. Sie wusste, wenn sie jetzt nichts zum Lachen fand, würde sie die ganze Nacht kein Auge zutun.
Lydia schaltete die Alarmanlage wieder an und rief Samuel, den jungen Mann, der ihr Anwesen in Great Falls bewachte, im Gästehaus an, um Bescheid zu geben, dass sie wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt war. Sie vermutete, dass er das bereits wusste. Er zahlte keine Miete und erhielt einen anständigen Lohn dafür, dass er das Kommen und Gehen im Hause Huston im Auge behielt. Außerdem spielte er manchmal den Chauffeur, wenn Joe nicht selbst zum Bürohaus des Senats oder zu einer Sitzung irgendwo in der Stadt fahren wollte. Wäre Lydia nicht nach Hause gekommen, so hätte er ihren Mercedes mit Hilfe des GPS-Signals geortet und die Behörden informiert. In Sachen persönliche Sicherheit hatten Joe und sie ihre Lektion gelernt.
Sie knipste alle Lampen bis auf die im Flur aus und ging in den Flügel hinüber, in dem ihr Schlafzimmer lag. Joe hielt sich wahrscheinlich im anderen Flügel auf und steckte tief in Arbeit. Er war dafür bekannt, dass er zwar viele Partys besuchte, aber immer verschwand, bevor die Sauferei richtig losging. Er arbeitete sich einmal durch die Gästeschar, und nach vollbrachter Tat setzte er sich nach Hause ab, bevor die echten Partylöwen überhaupt warm gelaufen waren.
Alex und Remy hatten ihn heute Abend nicht oft zu Gesicht bekommen. Als Joe von einem Empfang der „National Archives“ zurückgekehrt war, hatte er einen pflichtschuldigen Abstecher ins Wohnzimmer unternommen, wo die fantastischen X-Men über den Bildschirm geflimmert waren, hatte die Kinder gefragt, wie es in der Schule lief, und Alex befohlen, die Füße vom Couchtisch zu nehmen, und den Raum unter mürrischem Gemurmel über Gewaltin Hollywood-Filmen verlassen. Sie hatte den Blick bemerkt, den ihre Enkel ausgetauscht hatten, und sich gefragt, wie oft sie selbst ihnen schon Anlass gegeben hatte, genervt mit den Augen zu rollen.
In ihrem Zimmer zog sie sich um und setzte sich in ihrem langen Nachthemd aus Baumwolle vor die Frisierkommode, um den Schmuck abzulegen und ihr Make-up zu entfernen. Ihr Spiegelbild missfiel ihr. Ganz gleich, wie sehr eine Frau dagegen ankämpfte, das Alter forderte seinen Tribut. Keine Operation, kein Diät- oder Fitnessprogramm vermochte die Uhr zurückzudrehen. Sie war sechsundsechzig und spürte jedes dieser
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