Das Haus in Georgetown
Großmutter war das Haus Lydia quasi in den Schoß gefallen. Wie viele junge Abgeordnete hatten schon das Glück, ihre Karriere zu beginnen, ohne sich ständig darüber Sorgen machen zu müssen, wie sie ihre Unterkunft finanzieren sollten?Dennoch, Joe war ein einfacher, geradliniger Charakter, der den engen, baumgesäumten Straßen von Georgetown mit ihrem eigenartigen Charme nichts abgewinnen konnte.
Sie lächelte liebevoll. Joe war einer dieser Männer, die hier lieber effiziente, moderne Hochhäuser aufragen sähen, wie sie am anderen Ufer immer häufiger zu finden waren. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er Georgetown komplett planiert, auch wenn sein politischer Instinkt ihm verbot, das offen auszusprechen.
Sie verschob ihren Teller drei Millimeter nach rechts und ging in die Küche, um die Vorbereitungen fürs Abendessen abzuschließen. Auf ihrer Hochzeitsreise hatte sie entdeckt, dass Joe auch in Sachen Essen und Trinken einfache Dinge bevorzugte. Er war mit Landschinken, Maisbrot und Bohnen aufgewachsen, wie die meisten Bewohner des Südens von Virginia. Was für die Leute, die ihn wählten, gut genug war, sollte auch für ihn gut genug sein. Sie fand seine Vorlieben amüsant und hatte sich vorgenommen, ihm manche Dinge allmählich abzugewöhnen.
Für ihre heutige Wiedersehensfeier hatte sie Bœuf Stroganoff zubereitet, mit dem feinsten Fleisch, das der hiesige Metzger zu bieten hatte. Was war Bœuf Stroganoff schon anderes als Steak mit Rahmsauce? Sie hatte grüne Bohnen gekocht – länger, als es ihr lieb war, aber dafür bereitete sie jetzt eine Sauce aus Butter und blanchierten Mandeln zu, die sie vorm Servieren über die Bohnen geben würde. Sie hatte Brötchen gebacken, und zum Nachtisch sollte es ein Soufflee mit frischen Erdbeeren geben.
Joe würde beeindruckt sein.
Ebenso sicher war sie sich, dass ihn all das, was sie am Haus getan hatte, beeindrucken würde. Sie hatte die alten Möbel ihrer Großmutter gesichtet und nur behalten, was wertvoll war oderwovon sie sich nicht trennen konnte. Dazu gesellten sich nun die besten Stücke aus der Wohnung, in der sie vor der Hochzeit gelebt hatte, und ein paar gute Möbel aus Joes Familienbesitz.
Sie hatte Violets schwere, ausgeblichene Vorhänge entfernt und durch preiswerte Meterware von „Woody’s“ ersetzt. Mochte der junge Jack Kennedy auch mit seinem eigenen Koch nach Georgetown gezogen sein, nicht alle Kongressabgeordneten hatten eine derart einflussreiche Familie und verfügten über einen unbegrenzten Kreditrahmen.
Lydia hatte gehofft, noch vor Joes Rückkehr mit der Küchenrenovierung fertig zu werden, aber es war mehr Arbeit, als sie angenommen hatte. Sie war drauf und dran, wieder herunterzureißen, was sie mühsam an die Wände geklebt hatte, und die Küche in einem hellen Zitronengelb zu streichen. Sie würde diese wilde Farborgie jedes Mal genießen, wenn sie durch die Tür trat.
Als in der Küche alles fertig war, lief sie nach oben, um ihr Lieblingskleid anzuziehen und die Banane, die ihre Friseuse am Nachmittag kreiert hatte, mit ein paar zusätzlichen Haarnadeln zu sichern. Wie alles in der Hauptstadt löste sich die Steckfrisur schon ansatzweise auf, trotz der Unmengen von Haarspray, aber sie sah noch nicht zu zerzaust aus. Anlässlich ihrer Verlobung mit Joe hatte der Kolumnist der „Post“ Lydias blonde, aristokratische Erscheinung mit Fürstin Gracia Patricia verglichen. Das Leben war großartig.
Als die Haustür aufging, hielt sie sich noch oben auf. Sie lächelte und freute sich, dass ihr so die Gelegenheit geboten wurde, einen großen Auftritt auf der Treppe hinzulegen. Bevor sie ihren Mann begrüßen ging, strich sie ihr Kleid glatt und richtete die Goldkette mit der Tropfenperle, die Joe ihr am Hochzeitstag geschenkt hatte.
Joe stand am Fuß der Treppe, als sie hinabschwebte. Er riss die Augen auf und seine struppigen Brauen schossen in die Höhe, sodass sie fast mit dem Haaransatz verschmolzen, als er sie erblickte. Er war kein Lächler – das hatte sie gleich bei ihrem ersten Treffen bemerkt. Aber sein mürrischer Ausdruck war ihr im Laufe der Monate ans Herz gewachsen. Wenn er einmal lächelte, war der Effekt umwerfend.
„Abgeordneter Joseph Huston, wie ich vermute?“ Ein paar Stufen vor dem Ende der Treppe hielt sie inne und warf sich in Pose. „Welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen?“
„Du siehst hinreißend aus, Lydia. Zum Vernaschen schön.“
Da sie sich den Ausklang des Abends genau so
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