Das Haus in Georgetown
„Sie sind schön und riechen gut, und ich dachte mir, dass sie auf Ihrem Kaminsims herrlich aussehen müssten.“
Dottie Lee steckte ihre Nase tief in den Strauß. „Aus, Titi. Die sind großartig. Einfach großartig. Kommen Sie herein.“
Faith wich dem kläffenden Chihuahua aus. Sobald sie das Haus betreten hatte, verschwand das Hündchen, da es seine Aufgabe als erledigt betrachtete.
„Sie schauen doch nicht nur vorbei, um mir Rosen zu schenken. Sie sind hier, weil Sie etwas von meinem Earl Grey möchten.“
„Eine Tasse sehr gern. Bei uns gibt es schon wieder keinen Strom. Sie bringen irgendwas im Keller in Ordnung.“
„Ist Ihre Küche bald benutzbar?“
„Mit etwas Glück werden die Arbeitsflächen am Montagmorgen fertig.“ Während Dottie Lee Mariana bat, Teewasser aufzusetzen, ließ Faith sich auf einem Zweiersofa mit Rosenholzrahmen nieder, dessen Lehnen in Drachenköpfen ausliefen. Dottie Lee gesellte sich zu ihr.
Faith versuchte gar nicht erst so zu tun, als handele es sich um einen reinen Anstandsbesuch. Dottie Lee hatte – wie sie nicht müde wurde zu betonen – zu wenige Jahre vor sich, um auch nur eine Minute zu verschwenden.
„Ich habe den größten Teil der Woche in der Bibliothek verbracht und mich über das Verschwinden meiner Schwester informiert. Sie haben darüber ein ganzes Album angelegt.“
„Und Sie selbst haben nie eigene Nachforschungen angestellt?“
Faith verstand selbst kaum, warum sie es nicht getan hatte. „Ich habe gelernt, kontroversen Themen aus dem Weg zu gehen, und kein Thema war heikler als die Entführung. Sie war das wichtigste Ereignis im Leben meiner Eltern – und das Einzige, worüber sie nie gesprochen haben.“
„Gerade das macht sie auch in Ihrem Leben zum wichtigsten Ereignis.“
„Noch wichtiger als die Entdeckung, dass der Mann, mit dem ich fünfzehn Jahre geschlafen habe, schwul ist?“ In Faith keimte der Verdacht auf, dass Dottie Lee, die nie verheiratet gewesen war, sondern sich nur Liebhaber genommen hatte, damit mehr Grips bewiesen hatte als sie. „Das zeigt ja, wie viel Ahnung ich von den wirklich wichtigen Dingen habe.“
„Und warum sind Sie hier?“
„Ich habe mich gefragt, was Sie mir erzählen können.“
„Sie bitten eine alte Frau, die seit Jahren keinen Gedanken mehr an die Sache verschwendet hat, in ihrem Gedächtnis herumzuwühlen?“
Faith beugte sich vor. „Mir machen Sie nichts vor. Sie erinnern sich an alles. Und in Ihren Memoiren wird die Entführung ein eigenes Kapitel einnehmen, nicht wahr?“
Dottie Lee lächelte schelmisch. „Welche Memoiren?“
„Die, die Sie vor ein paar Wochen erwähnt haben. Ich glaube, wenn Sie wollten, könnten Sie dafür sorgen, dass sich die halbe Stadt in die Wolle kriegt.“
„Das möchte ich aber nicht ... solange ich noch lebe.“ Dottie Lee, deren weißes Haar heute Nachmittag von zahlreichen Strassspangen zusammengehalten wurde, legte den Kopf schief.
„Und danach?“
„Danach könnte es Ihnen durchaus Leid tun, mich gekannt zu haben. Nicht, dass ich Sie erwähnen werde. Ich habe mich entschlossen, Sie vollkommen außen vor zu lassen.“
„Sie haben in Erwägung gezogen, auch über mich zu schreiben?“
„Über so ein langweiliges Mauerblümchen? Ja, natürlich! Ihre Geschichte ist so herrlich anstößig – und sie wird immer anstößiger.“
„Dottie Lee!“
„Ich sage doch, ich werde es nicht tun.“ Sie machte eine Kunstpause. „Bei Ihren Eltern verhält sich die Sache natürlich vollkommen anders.“
Faith, die das Thema Memoiren nur angeschnitten hatte, um Dottie Lees Gedanken in die Vergangenheit zu lenken, war entsetzt. „Wollen Sie die Karriere meines Vaters zerstören?“
„Muss ich das tun, oder kommt mir Joe selbst zuvor? Was meinen Sie? Er ist wirklich kein sehr guter Senator. Ja, an Intelligenz mangelt es ihm nicht, und er war weiß Gott das Alphatier seiner politischen Rotte. Aber sein Motor läuft mit Vitriol, und früher oder später werden einige Leute das bemerken und ihn beseitigen. Hoffentlich erledigen sie das im Wahllokal.“
Faith fielen auf Anhieb etliche Politiker ein, die von demWunsch angetrieben wurden, es Joe heimzuzahlen. Sie konnte Dottie Lee nicht widersprechen, auch wenn sie selbst ihren Vater noch nie so wahrgenommen hatte. „Was könnten Sie denn ausplaudern, das seine Karriere beenden würde?“
Dorothy zog fragend eine ihrer nachgezogenen Brauen hoch. „Warum sollte ich Ihnen das verraten?“
„Bluffen Sie
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