Das Haus in Georgetown
Vorstellung an, dass ein Neugeborenes aus seiner Wiege gehoben und zum Schweigen gebracht worden war, vielleicht gar erstickt, damit der Entführer sich unbemerkt aus dem Staub machen konnte.
„Dottie Lee, glauben Sie, dass Dominik Dubrov der Kidnapper war?“
Die Antwort fiel indirekt aus. „Dominik war hier in meinem Haus, als die Entführung stattfand. Ich hatte einen Rohrbruch. Er war gekommen, um das zu reparieren.“
„ Sie waren sein Alibi? Er war die ganze Zeit hier?“
Dottie Lee zögerte. „Nicht ganz.“
„Wie meinen Sie das?“
„Er ist einmal fortgegangen, um Ersatzteile zu kaufen. Er war nicht lange weg. Schätzungsweise zwanzig Minuten, vielleicht auch dreißig.“
„Zwanzig Minuten hätten ausgereicht, um meine Schwester zu entführen. Sie lag direkt nebenan.“
„Ja, aber er kam mit den Sachen zurück. Die Rechnung trug das Datum des Tages der Entführung, auch wenn es damals noch keine genauen Zeitstempel gab, wie wir sie heute kennen. Aber ein Angestellter in dem Eisenwarenladen meinte, er erinnere sich daran, Dominik an diesem Nachmittag kurz nach dem Zeitpunkt, als er mein Haus verlassen hatte, bedient zu haben. Und dann war da noch die Frage, wo er das kleine Mädchen so schnell hätte lassen können.“
„Es jemandem geben, mit dem er sich vorher abgesprochen hatte? Jemandem, der in der Nähe wartete?“
„Vermutlich. Aber die Polizei fand das Alibi gut genug. Er hatte kein Motiv, Hope verschwinden zu lassen.“
„In einem Artikel wurde behauptet, Geld sei das Motiv gewesen. Er war arm und hatte hohe Arztrechnungen zu begleichen. Sein kleiner Sohn litt unter Asthma und musste häufig ins Krankenhaus.“
„Ja, aber bedenken Sie, dass nie eine Lösegeldforderung einging. Auch nicht, bevor Dominik unter Verdacht geriet. Es hat Tage gedauert, bis die Polizei auf ihn aufmerksam wurde, weil alle Leute ihn so mochten, dass niemand den Ermittlern einen Wink geben wollte.“
„Dass niemand Lösegeld verlangt hat, kann auch heißen, dass Hope bei der Entführung gestorben ist und die Kidnapper die Nerven verloren haben.“
„Es gibt viele, viele Fragezeichen.“
„Es müssen doch noch weitere Verdächtige existiert haben. Ein Kind löst sich nicht einfach in Luft auf.“
„Ich glaube, Sie schauen sich zu viel schlechte Filme an. Es gibt nicht so viele geniale Detektive, wie Hollywood und Agatha Christie uns glauben machen wollen.“
„Was für einen Eindruck hatten Sie von den polizeilichen Ermittlungen?“
„Unprofessionell. Die Leute sind wie ein Heuschreckenschwarm in das Haus eingefallen. Wenn irgendwelche Spuren vorhanden gewesen sein sollten, haben sie sie in den ersten zehn Minuten vernichtet.“
„Das ist furchtbar.“
„Größtenteils jugendlicher Übereifer. Sie wollten den Kidnapper fangen. Sie wussten, dass er noch irgendwo in der Nähe sein musste. In der Hitze des Gefechts haben sie das Haus und die Nachbarschaft auf den Kopf gestellt. Als sie abgezogen waren, gab es nichts mehr, was man noch hätte untersuchen können.“
„Dominik Dubrov ...“
Dottie Lee schüttelte den Kopf. „Sie verdächtigen ihn noch immer?“
„Sechs Monate später hat er Selbstmord begangen. War das nicht fast ein Geständnis?“
„Alle möglichen Leute nehmen sich das Leben, Faith. Es ist eine Seuche. Haben die alle ein Kind entführt?“
„Natürlich nicht, aber ...“
„Dominik ist an dem Skandal zerbrochen. Er war ein guter, anständiger Kerl mit altmodischen Auffassungen. Zwar hat die Polizei ihn nie verhaftet, aber die Zeitungen und die regionalen Fernsehsender haben ihm den Prozess gemacht und ihn für schuldig erklärt. Sie hatten sonst nicht viel, worüber sie berichten konnten, also stürzten sie sich auf den Fall. Dominik hatte wahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch, wie man das damals nannte. Er hat sich erhängt.“
„Sie halten ihn für unschuldig. So viel steht fest.“
„Habe ich das gesagt?“
„Nicht direkt.“
„Wenn Sie wirklich herausfinden wollen, was vorgefallen ist, dürfen Sie sich nicht auf das plausibelste Szenario versteifen. Das hat die Polizei schon getan – ohne Erfolg.“
Faith beugte sich vor. „Dottie Lee, wissen Sie, wer meine Schwester mitgenommen hat?“
Dottie Lee wich ihrem Blick nicht aus. „Diese Frage hat mir zuletzt ein ungehobelter junger Hauptwachtmeister gestellt, der in mein Haus kam, sich auf genau dieses Sofa setzte, auf dem Sie jetzt sitzen, und mit seinem Finger vor meinem Gesicht
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