Das Haus in Georgetown
beherrschen, es nicht für Hope zu kaufen. Als du zum Traualtar gingst, um David zu heiraten, versuchte ich mir vorzustellen, wie sie wohl in ihrem Brautkleid ausgesehen hätte.“
Lydia hatte die ganze Zeit auf den Küchentisch gestarrt. Jetzt blickte sie hoch. „Ich habe dich geliebt, Faith. Glaub ja nicht, ich hätte dich nicht geliebt. Aber wie oft habe ich dich angeguckt und an deine Schwester gedacht. Auch deshalb habe ich mich bemüht, einen Schlussstrich unter die Sache zu ziehen: weil es dir gegenüber nicht fair war.“
„Und ich stochere jetzt in dieser Wunde herum.“
„Tu’s nicht. Bitte nicht. Uns allen zuliebe.“
Faith erinnerte sich an alles, was Dottie Lee gesagt – und was sie verschwiegen hatte. An die Andeutungen. Das Schweigen, das Faith’ Neugier geweckt hatte. Sie konnte das nicht auf sich beruhen lassen. „War Hope wirklich der Ursprung all des Kummers in deinem Leben?“
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Ich meine, dass ich zwischen zwei unglücklichen Elternteilen aufgewachsen bin. Wäre das anders gewesen, wenn man Hope nicht entführt hätte?“
„Woher soll ich das wissen?“ Lydias Ton hatte sich merklich verändert. Er wirkte jetzt abweisend.
„Ein Kind zu verlieren ist das Schlimmste, was Eltern widerfahren kann. Selbst in einer perfekten Ehe.“
„Das führt doch zu nichts, Faith. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern.“
Faith erkannte, dass es nichts bringen würde, wenn sie ihre Mutter weiter bedrängte. Lydia hatte sich so weit geöffnet, wie esihr momentan möglich war. „Es tut mir Leid. Ich will dich nicht quälen. Ich möchte es nur verstehen.“
„Warum? Um etwas über dich selbst zu erfahren? Oder interessierst du dich plötzlich für Beziehungsprobleme, weil du die Nacht mit einem Mann verbracht hast und dein eigenes Leben jetzt aus den Fugen geraten ist?“
Faith musste zugeben, dass ihr das Abenteuer mit Pavel offenbar doch schwerer zu schaffen machte, als sie vermutet hatte. Sie errötete wie ein Schulmädchen. „Wie kommst du darauf?“
„Ich werde zwar alt, aber wie eine befriedigte Frau aussieht, weiß ich noch immer.“
Lydia hatte seit fast vierzig Jahren nicht an Dottie Lees Tür geklopft. Als sie nun hinüberging, fiel ihr auf, dass das Haus nicht einmal ein halbes Dutzend Schritte entfernt lag. Es gab keine Stufen, da sich Dottie Lees Eingang auf Straßenhöhe befand, und kein Geländer, um das man herumgehen musste. Keine zwanzig Sekunden, nachdem sie die eigene Haustür – vielmehr die ihrer Tochter, wie sie sich in Erinnerung rief – hinter sich gelassen hatte, stand sie hier und starrte die tiefroten Zierleisten und die grauen Ziegel an.
Der Türklopfer war ein Drachenkopf aus Messing, der sich eigentümlich und – wie Lydia fand – etwas obszön anfühlte.
Dottie Lee kam selbst an die Tür; sie trug einen königsblauen Sari und zahllose goldene Armreifen. Sie wirkte kein bisschen überrascht.
„Ich habe dich erwartet“, sagte sie.
Lydia warf einen Blick auf den kläffenden, schnappenden Chihuahua zu Dottie Lees Füßen, eine Rasse, die in ihren Augen nichts weiter als eine Neurose mit Schwanz war. „Wenn du diesesTier nicht zum Schweigen bringst, wirst du auf mich noch eine ganze Weile warten müssen.“
„Titi!“
Der Hund verstummte.
„Alex liebt sie.“
„Alex ist viel zu gutmütig.“
„Weiß Faith, dass du hier bist?“
„Willst du mich nicht hineinbitten?“
Dottie Lee bückte sich – ganz langsam, wie Lydia schmerzlich feststellte – und drückte den winzigen Hund an ihre Brust. Dann richtete sie sich auf und trat beiseite.
Faith hatte nichts von dem Plan ihrer Mutter geahnt. Sie war mit den Kindern einkaufen gegangen, und Lydia hatte versprochen, dass sie noch eine Tasse Kaffee trinken und dann das Haus abschließen würde.
„Seit du das letzte Mal hier warst, hat sich viel verändert“, sagte Dottie Lee. „Schau dich ruhig um.“
„Soweit ich mich erinnere, hast du dich jedes Mal neu eingerichtet, wenn du einen neuen Liebhaber hattest. Wie viele waren es? Ich weiß von zwei Senatoren und mindestens einem Kongressabgeordneten.“ Sie hielt inne. „Und einem Botschafter.“
„Nein, Liebes. Zwei Botschafter. Hinreißende Männer, alle beide. Einer aus Indien.“ Dottie Lee zupfte an ihrem Sari, um ihre Worte zu unterstreichen. „Aber du unterschätzt mich, und das verletzt meinen Stolz. Die meisten Leute trauen mir wenigstens einen Präsidenten zu. Ich habe sie natürlich nie
Weitere Kostenlose Bücher