Das Haus in Georgetown
Ihre Nase an zu wachsen.“
Er fasste sich ins Gesicht. „Wenn das so ist, gehe ich besser in ein anderes Zimmer.“
„So klein ist die Küche gar nicht. Für ein bis zwei Lügen reicht sie völlig.“
„Die Dielen sind schön.“
„Ja, nicht wahr? Kiefernkernholz. Aber alles andere – ein Trauerspiel.“
„Wenn Sie gerne kochen, muss ich Ihnen leider Recht geben.“
Faith stellte die Vase auf die Arbeitsplatte und kramte in einem der drei Wandschränke, aus dem sie nach einem Gefecht mit einem Stapel Geschirr triumphierend zwei Gläser hervorzog. „Ich bin eine leidenschaftliche Köchin. Seit meiner Trauung habe ich noch keine einzige Mahlzeit zubereitet, an der die Ernährungswissenschaft etwas hätte aussetzen können.“
„Klingt ja furchtbar.“
Sie hörte auf, mit den Gläsern zu gestikulieren. „Und wohin hat es mich gebracht? Nicht, dass es was geändert hätte, aber wenn ab und zu einfach ein paar Dosen von mir aufgemacht worden wären, dann hätte ich wenigstens mehr Freizeit gehabt.“
Pavel bemerkte, wie gern er Faith anschaute. Sie entsprach eigentlich nicht seinem Typ. Seine Frauen waren exotischer, nicht so sehr der amerikanische Durchschnitt. Sie sah zu mädchenhaft aus, um schön zu sein. Ihre Züge waren ebenmäßig, wirkten aber irgendwie langweilig.
Nichtsdestoweniger blickte er Faith gerne an. Er vermutete, dass es weniger ihr Gesicht als vielmehr der Ausdruck darauf war, der ihn fesselte. Ein Teil Ehrlichkeit, zwei Teile Zurückhaltung, drei Teile Intelligenz. Alles leicht zu übersehen, aber trotzdem für ihn erkennbar.
„Sie sind noch jung.“ Er zog die Flasche aus der Tüte. „Sie haben noch reichlich Zeit für die Freuden des Lebens.“
Sie lächelte entspannt. „Das vergesse ich manchmal.“
„Betrachten Sie diesen Abend als einen Wendepunkt.“
Sie neigte den Kopf leicht, als denke sie über seine Bemerkung nach. Sie hatten über Ernährung gesprochen. Einfach über Essen. Und auf einmal schien von etwas ganz anderem die Rede zu sein.
„Eigentlich weiß ich nichts über Sie, außer dass Sie gerne helfen und in der Nähe wohnen. Erzählen Sie mir etwas über sich.“
„Verraten Sie mir erst mal, ob Sie einen Korkenzieher haben.“
Sie starrte ihn an. „Jetzt haben Sie mich ertappt, was?“
„Ich habe schon vermutet, dass Sie wenig Bedarf an so etwas hatten.“
„Mal gucken, ob ich etwas finde, das uns weiterhilft.“ Sie durchwühlte eine Schublade und brachte einen Flaschenöffner zum Vorschein, in den seitlich ein äußerst schlichter Korkenzieher eingelassen war. „Voilà.“ Sie reichte ihm den Öffner.
„Das bekomme ich hin.“
„Ich werde mal fragen, ob meine Tochter uns Gesellschaft leisten möchte.“
Er kannte die Antwort bereits. Remy Bronson hatte ihn auf Anhieb nicht leiden können.
Als Faith verschwunden war, bemühte er sich, den Korkenzieher einzudrehen, ohne dass der Korken zerbröselte. Er zog ihn vorsichtig heraus, als sie zurückkam. „Remy hat gerade das Licht ausgemacht, und Alex ist vor einer halben Stunden schlafen gegangen. Der Umzug hat die beiden ganz schön geschafft.“
„Kisten auspacken vermag einen Menschen nur eine begrenzte Zeit zu fesseln.“
„Remys Feindseligkeit ist Ihnen sicher aufgefallen. Sie will hier nicht leben.“
Da er sich aus seinen Beziehungen zu verabschieden pflegte,bevor Feindseligkeit entstehen konnte, hatte er dazu wenig Kluges zu sagen. „Aber Kinder kommen über so was hinweg.“
„Haben Sie Kinder?“
„Ich war nie verheiratet.“ Er bemerkte, wie sie ihn musterte, und begriff, was ihr durch den Kopf gehen musste. „Nicht, dass ich Frauen nicht mag, Faith. Nur um das gleich klarzustellen.“
Sie hatte helle Haut, die bei jeder kleinen Provokation errötete. „Tja, lassen Sie mich es so ausdrücken: Niemand würde mich in dieser Frage für eine große Expertin halten.“
Endlich war die Flasche entkorkt, und er füllte ihre Gläser fast bis zum Rand. Diesen Pinot Grigio kannte und schätzte er, genau die richtige Reife und gewiss kein billiger Tropfen. Er reichte ihr ein Glas und beobachtete, wie sich ihre Augen angesichts der Menge weiteten.
„Ich finde, dass niemand von Ihnen erwarten konnte, darin Expertin zu sein. Die Karten hätten offen auf dem Tisch liegen sollen.“
Sie machte ein Gesicht, das sie zehn Jahre jünger aussehen ließ. „Das habe ich auch früher gedacht. Aber manche Leute belügen sich selbst genauso gut wie die Menschen, die sie angeblich
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