Das Haus in Georgetown
unvollkommen.
Sie entschuldigte sich nicht für den Zustand der Küche, und sie fragte ihn auch nicht nach seiner Meinung. Sie klappte die Kühlbox auf und öffnete eine Pepsi-Dose. Dann nahm sie ein Glas aus einer Kiste. Kommentarlos reichte sie es ihm – zusammen mit der Büchse.
Er schenkte sich ein, führte das Glas aber nicht an die Lippen. „So kannst du nicht leben. Was denkst du dir eigentlich?“
„Ich denke, dass es schon bald besser wird. Die Pläne für die Küche stehen schon. Möchtest du sie sehen?“ Sie hielt Pavels Entwürfe hoch.
Er winkte ab. „Unabhängigkeit ist schön und gut. Aber das hier ist etwas ganz anderes.“
„Ich möchte nicht mit dir streiten.“
„Weil du weißt, dass ich Recht habe.“
„Nein, weil ich zu tun gedenke, was ich für das Beste halte.
Nicht weil ich stur oder dumm bin, sondern weil ich wieder lernen muss, mir selbst etwas zuzutrauen.“
Joe betrachtete sie und suchte nach der Frau, die er kannte. Die es allen recht machen wollte und geglaubt hatte, darin bestünde ihr Lebensglück. Diese Frau beabsichtigte er wiederzufinden, zumindest ein winziges Stück ihres Verstandes, an den er appellieren konnte.
„Du hast eine schwierige Zeit hinter dir“, setzte er an.
Sie lächelte, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen. „Und ich bin noch nicht über den Berg. Aber es ist mein Berg, und ich fange an, ihn zu mögen.“
„Ich habe dich nicht genügend unterstützt.“
Sie war sofort auf der Hut, denn sie war zu lange seine Tochter, um sich von solchen Reue-Krümelchen irreführen zu lassen. „Du hast getan, was du konntest. Jetzt muss ich auf eigenen Beinen stehen.“
„Langfristig vielleicht, aber fürs Erste habe ich eine Lösung anzubieten.“ Er lächelte. „Wirst du mir zuhören und es dir überlegen?“
„Zuhören werde ich bestimmt.“
Das war nicht die Antwort, auf die er gehofft hatte, und sein Lächeln erstarb. „Ich sehe ein, dass du Unabhängigkeit brauchst. Das hätte mir schon früher klar werden müssen. Du brauchst eine Arbeit und eine eigene Bleibe.“
„Letzteres habe ich.“
„Du hast versprochen zuzuhören. Ich habe gerade eine meiner Beraterinnen verloren und muss umgehend Ersatz für sie finden.“
Beinahe hätte sie losgeprustet. Sie hatte Respekt vor Joe Hustons Hingabe an seine Arbeit und seine Wähler. Man konnte ihrem Vater eine Menge nachsagen, aber nicht, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen auf die leichte Schulter nahm. Dennoch würde sie sich eher mit Alec dem Tonnenmann zusammentun, als für ihren Vater zu arbeiten. Schon als Vater war er schwer zufrieden zu stellen gewesen – als Vorgesetzter wäre er unerträglich.
„Die Arbeit wird gut bezahlt“, fügte Joe hinzu. „Und es gibt Aufstiegsmöglichkeiten.“
„Man würde dir Vetternwirtschaft vorwerfen.“
„Es gibt gute Gründe, dich zu engagieren. Du bist intelligent, sachkundig ...“
Sie verschränkte die Arme. „Ich kann nicht glauben, dass du mich jeden Tag um dich haben willst. Ich weiß doch, wie schlecht die Sache mit David für dich ist. Wir sind keine Vorzeigefamilie mehr, und ich würde deine Kollegen und die Presse ständig daran erinnern ...“
„Die Presse braucht keine Erinnerungsstütze.“
„Wie meinst du das?“
„Hast du gestern keine Zeitung gelesen?“
Faith war ein bisschen zu beschäftigt gewesen, um sich in Ruhe die „Washington Post“ vorzunehmen, die schon unter normalen Umständen abschreckend dick war. „Was habe ich verpasst?“
„Abraham Stein schreibt eine Serie über die Rechte von Homosexuellen. Der Liebhaber deines Gatten erzeugt Wellen, die möglicherweise bis an die Fundamente des Capitol Hill schlagen. Es gab ein paar Zitate ohne Quellenangabe, die wahrscheinlich von David stammten.“
Den Rest konnte sie sich denken. Abraham Stein hatte nie einen Hehl aus seiner sexuellen Orientierung gemacht, aber seine jüngste Kampagne würde David und seine Familie erneut ins Gerede bringen.
„Das verstehe ich nicht“, sagte Faith. „Wahrscheinlich wird das den Klatsch über David und mich wiederbeleben, zumindest eine Weile – und du willst, dass ich in deinem Büro sitze, wo mich jeder Reporter, der hereinschneit, ausquetschen kann?“
„Die Stelle ist in Roanoke.“ Er hob die Hand und bedeutete ihr zu schweigen. „In meinem dortigen Büro. Du würdest dich um die Probleme kümmern, mit denen meine Wähler ankommen. Du kannst gut zuhören, und du hast mich lange genug beobachtet, um zu wissen, wie
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