Das Haus in Georgetown
Schritten auf der Treppe untermalt. Alex tauchte auf. „Hey, Pavel!“
„Hallo, Partner.“ Pavel hielt die Hand hoch, und Alex schlug ein. „Isst du gerne thailändisch?“
„Ich esse fast alles gerne. Willst du sehen, was ich mit der Mausefalle gemacht habe?“
„Eine Ratte gefangen?“
„Noch nicht. Aber sie ist in meinem Zimmer. Ich habe in einer Ecke ein Nest aus zernagtem Zeitungspapier gefunden.“
Faith erschauderte. Sie hörte das zum ersten Mal.
„Die Klappe fällt jetzt schon, wenn man sie anhaucht“, sagte Alex. „Willst du’s dir anschauen?“
„Klar.“ Pavel wandte sich Faith zu. „Also?“
„Ich decke inzwischen den Tisch für uns drei.“
„Das habe ich nicht gemeint.“
Sie lächelte ihn an. „Klar. Geht in Ordnung.“
„Freitag? Ich kann ein paar Freunde einladen, und wir treffen uns bei mir, sodass Sie sich das Haus mal von innen angucken können. Es wird bestimmt lustig.“
„Ich hoffe, dass ich jemanden für die Kinder finde.“
„Lassen Sie’s mich wissen.“ Sie blickte ihm nach, als er Alex folgte, und fragte sich, worauf sie sich gerade eingelassen hatte.
16. KAPITEL
Das Leben einer Familie verändert sich manchmal innerhalb eines Augenblicks. Am nächsten Morgen stand Faith früh auf und ging zur Wisconsin Avenue, um Bagels und frischen Orangensaft zu kaufen. Als sie wiederkam, spielte Remy eine stundenlange Variation von Chopins Minutenwalzer.
„Du hast das Klavier seit Jahren nicht mehr angerührt.“ Faith zog die Tür hinter sich zu. „Unglaublich, dass du dich an alles erinnerst.“
„Und?“ Remy hörte mitten in einem Takt auf und klappte den Tastaturdeckel zu.
„Ich habe dir immer so gerne zugehört. Ich habe es bedauert, als du keine Stunden mehr nehmen wolltest. Deine Lehrerin auch. Du warst ihre begabteste Schülerin.“
„Ich habe nur Zeit totgeschlagen.“
Faith wusste, wenn sie noch ein weiteres Wort sagte, würde Remy das Klavier nie wieder anfassen. „Für dich habe ich Zimt und Rosine mitgebracht und für Alex Blaubeer. Frisch aus dem Ofen.“
„Mom!“ Alex erschien am Fuß der Treppe. Faith war sich nicht einmal sicher, dass er wirklich die Stufen hinuntergestiegen war. „Ich hab ihn!“
„Wen?“ Dann ging ihr auf, was er meinte. „Die Ratte?“
„Lefty. Komm schon!“
„Das ist so abartig!“ rief Remy. „Ich lebe in einer Slum-Hütte.“
Faith hatte inzwischen viel Übung im Ignorieren von Äußerungen ihrer Tochter. „Alex, du weißt doch, dass du ihn nicht behalten kannst. Das hatten wir doch schon besprochen.“
„Du wirst staunen. Echt.“
Sie folgte ihm nach oben, und Remy schlenderte gelangweilt hinter ihnen her.
An Alex’ Wänden klebten noch immer ausgeblichene Tapeten voller Bauern bei der Ernte und Bauersfrauen an Spinnrädern, aber ansonsten gehörte dieses Zimmer eindeutig einem viel versprechenden Jungforscher. Sein Computertisch war so lang wie eine ganze Zimmerseite. Auf einem weiteren Tisch lagen Elektronikteile, die er bei Nachbarn abgestaubt hatte. Außerdem gab es dort noch ein Aquarium mit Venusfliegenfallen, die unter ihrer Pflanzenlampe prächtig gediehen, und einen Chemiebaukasten für Anfänger. Daneben türmte sich ein Müllhaufen aus kaputten Kabeln und leeren Batterien auf. Pavels Falle stand in der gegenüberliegenden Ecke.
„Guck dir das an.“ Er ging in die Knie, und nachdem sie und Remy kurz das Gesicht verzogen hatten, hockte Faith sich daneben.
Eine weiße Ratte mit knallroten Augen starrte sie an.
„Keine gewöhnliche Ratte“, sagte Alex. „Eine Wissenschaftler -Ratte.“
„Was soll’s.“ Remy beugte sich über die Falle. „Das ist die Ratte, die ich gesehen habe. Na und?“
Faith stand auf. „Du hast immer ein wohl behütetes Leben geführt. Das ist keine normale Großstadtgartenratte. Und auch keine typische Müllhaufenratte. Alex hat Recht. Das ist eine von denen, die in Zoohandlungen verkauft und in Labors eingesetzt werden.“
„Die Sorte, mit der man Experimente macht.“ Alex’ Augen glänzten.
Faith musste der Sache sofort einen Riegel vorschieben. „Ichhoffe, du hast mit dem armen Ding nichts Derartiges vor. Das kommt nicht in Frage.“
„Nur harmloses Zeug. Labyrinthe und so. Das wird ihm Spaß machen. Er wird sich fühlen wie in einem Vergnügungspark.“ Er spürte, wie seine Mutter weich wurde, und machte ein trauriges Gesicht. „Ich durfte nie ein Haustier haben, Mom.“
„Das ist so krank.“ Remy verließ den Raum. Faith hörte, wie
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