Das Haus in Georgetown
wieder herrichten, wie er einmal war. Zumindest in den Grundzügen.“
„Ehrlich gesagt, sehr wenig.“ Lydia überlegte kurz. „Aber ... das ist komisch, ich habe seit Jahren nicht mehr daran gedacht.“
„Woran?“
„Ich glaube, meine Großmutter hat bei einem örtlichen Gartenwettbewerb einen Preis gewonnen. Es gab eine Führung, eine Führung durch die Gärten von Georgetown.“ Lydia durchforstete ihr Gedächtnis nach weiteren Fragmenten der Vergangenheit. „Sie war so aufgeregt. Daran entsinne ich mich. Ihr Garten hat eine Auszeichnung bekommen.“
„Womöglich findet sich darüber noch etwas. In alten Zeitungen vielleicht? Weißt du noch, wann das war? Vielleicht wurde der Garten irgendwo beschrieben.“
Mit leuchtenden Augen beugte sich Lydia vor. „Das ist gut möglich. Ich war jung, zu jung, um mitzubekommen, ob die Presse darüber berichtete. Aber alt genug, um mich zu erinnern, wie aufgeregt meine Großmutter war.“
„Schätz mal, wie alt du warst. Fünf? Zehn?“
„Sieben vielleicht. Dann hätte die Tour im Frühling oder Frühsommer 1941 stattgefunden. Kurz bevor wir in den Krieg eintraten. Ich nehme auch nicht an, dass die Leute noch Zeit für Gartentouren hatten, sobald die ersten Jungs nach Europa mussten.“
Faith beschloss, sich lieber wieder auf das Haus anstatt auf den Garten ihrer Urgroßmutter zu konzentrieren. „Ich frage mich, was man sonst noch herausfinden könnte. Immerhin ist das hier die Hauptstadt, ein geschichtsträchtiger Ort. Es müsste uns doch gelingen, deine Gedächtnislücken zu schließen.“
„Findest du das alles so interessant?“
Das konnte man wohl behaupten. Aber Faith hielt es auch für eine gute Gelegenheit, sich bei Lydia dafür zu revanchieren, dass sie ihr das Haus überlassen hatte. Lydia dachte zu wenig über sichselbst nach, um zu wissen, wie sie an ihre verschütteten Erinnerungen herankommen sollte. Doch mit Faith’ Hilfe würden ihr viele Dinge bestimmt wieder einfallen.
Alex kam zurück. „Wenn das Violets Garten war, suchen wir nach Violets Namen. Richtig?“
Lydia lächelte ihm zu, und Faith fiel auf, dass ihre Mutter zum ersten Mal beinahe wie eine liebevolle Oma wirkte. „Ist er nicht clever?“ fragte Lydia. „Du bist wirklich ein heller Kopf, Alex.“
Alex grinste zurück.
Es waren nicht gerade Schokoladenkekse, handgenähte Baby-Quilts und Disney-World-Ausflüge, aber Faith hatte den Eindruck, dass Alex und ihre Mutter auf bestem Wege waren, Freunde zu werden.
Als Pavel am Abend wieder Essen vorbeibrachte – diesmal Thai-Nudeln, Zitronengrassuppe und Frühlingsrollen –, erzählte sie ihm von der Führung durch die Gärten von Georgetown.
Zur Begrüßung hatte er sie auf die Wange geküsst, wie ein guter alter Freund. Wie die bekannten Politiker Jesse Helms oder Strom Thurmond, die sie seit Kindertagen kannte. Wie irgendein Organisator einer Spendenaktion.
Sie war ein wenig beleidigt, bis ihr auffiel, was hinter diesem Gefühl steckte. Dann schämte sie sich ein wenig.
„Ich möchte doch sehen, welche Fortschritte die Küche macht.“ Pavel trug einen himmelblauen Pullover, den er auszog, während er sprach. Darunter kam ein weiteres Stück aus seiner Sammlung farbbekleckster, unförmiger T-Shirts zum Vorschein.
Faith hatte Pavel nie erzählt, was Dottie Lee ihr über ihn verraten hatte. Sie hatte angenommen, dass er es früher oder später zufällig erwähnen würde, aber bisher hatte er nichts gesagt. Jetztschüttelte sie den Kopf. „Schauen Sie sich an, Pavel. Ich bin auf dem Laufenden. Wissen Sie, Dottie Lee hat mich umfassend über Sie informiert, Sie müssen sich also nicht mehr als Roadie verkleiden.“
Er war gerade dabei, den Pullover zusammenzulegen. Mitten in der Bewegung erstarrte er. „Dottie Lee?“
„In der Prospect Street gibt es keine Geheimnisse.“
Sein Gesichtsausdruck hatte sich ein wenig verändert; sein Lächeln schien nicht ganz so breit wie sonst zu sein. Offenbar war es ihm unangenehm, dass sie über ihn Bescheid wusste.
„Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste“, merkte sie an. „Die meisten Leute sind stolz auf ihren Erfolg.“
„Welchen Erfolg?“
„Scavenger.“
Er faltete den Pullover ein letztes Mal. Sie nahm ihn ihm ab und legte ihn sorgsam auf ein Regal. „Ich schäme mich nicht dafür“, sagte er. „Es ist nur unwichtig. Es ist mein Beruf, nicht mein Leben.“
„Da bin ich mir nicht so sicher. Ich möchte wetten, ein großer Teil von ,Scavenger‘ hat
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