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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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grünen Karos. Auf den Kopf hatte er sich einen Hut geschraubt, mit dem ich lieber nicht auf frischer Tat ertappt worden wäre. Er war grau und verbeult und sah aus, als hätte er an sämtlichen Schlägereien eines halben Jahrhunderts teilgenommen. Es wäre falsch, zu behaupten, daß Oberinspektor Dankert Muus zu meinen Freunden gehörte. So war es denn auch ein nicht gerade freundlicher Blick, den er mir zuwarf. »Was zum Teufel hat der Schnüffler hier verloren, verdammt?« fauchte er Andersen an.
    »Ööh« sagte Andersen. »Er sagte, er hätte Informationen.«
    »Informationen? Worüber?«
    »Darüber.« Andersen sah zur Garagentür.
    Ich folgte seinem Blick und versuchte hineinzusehen. Aber der massige Muus füllte die Türöffnung völlig aus.
    Ich hatte ein nervöses Gefühl im Bauch. Ich war noch nie sonderlich gut mit Muus ausgekommen. Und ich war noch immer nicht ganz sicher, was ich in der Garage vorfinden würde.
    Muus wandte den Blick von Andersen zu mir. Er ließ die Zigarre zwischen den Lippen hin- und herrollen, während er Bruchstücke einer Replike hervorkaute. »Veum, heh? Unser örtlicher Meisterdetektiv? Der Schmutzwäschesammler de luxe? Informationen? Du weißt doch gar nicht, was das ist.«
    Ich öffnete den Mund. Ein Mann kam plötzlich aus der Garage. Es war ein kleiner Mann, und er mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um Muus etwas ins Ohr zu flüstern. Muus lauschte mit unbeweglicher Miene. Sein Blick ruhte auf mir. Als der Mann fertig war, öffnete er den Mund links von der Zigarre und sagte: »Du bleibst hier, Veum. In gebührendem Abstand.«
    Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand wieder in der Garage. Jon Andersen sah mich an, zuckte mit den Schultern und folgte ihm. Ich sah zum Himmel, zuckte mit den Schultern und ging in die Garage.
    Der rote Kadett stand fein säuberlich mitten in der Garage. Es war eine ordentliche Garage. Das einzige, was sich darin befand, war der Wagen. Es gab niemanden, der Autos reparierte in dieser Familie. Das besorgte die Werkstatt, vom Zündkerzenwechsel bis zum Waschen der Windschutzscheibe.
    Beide Autotüren standen offen, und um den Wagen herum stand ein Haufen Menschen. Die meisten kannte ich vom Sehen, einige mit Namen. Es waren Leute von der Kripo. Ich trat hinzu und spähte über die Schulter.
    Auf der Kante eines Vordersitzes, die Beine nach draußen, saß ein Mann. Er hielt einen Arm in der Hand, und das war nicht sein eigener.
    Ich beugte mich noch weiter hinunter. Ich versuchte, an dem Arzt vorbeizusehen. Ich sah eine Frau in einem grünen Kleid. Das Kleid war über die Oberschenkel hinaufgerutscht, und sie hatte schöne Beine. Ich hatte diese Beine schon einmal gesehen.
    Das Gesicht war blaugrau, völlig entstellt. Um den Hals herum lief ein dünner, blauer Streifen: der Abdruck einer Schnur. Sie hatte sich erhängt – oder sie war erdrosselt worden. Das Gesicht war verändert, häßlicher, aber das Haar war dasselbe. Es lag kupferrot um das aufgedunsene Gesicht herum, etwas wirr, aber noch mit natürlichem Fall, und noch immer mit einer Glut von Leben.
    Am Tag zuvor hatte ich darüber nachgedacht, wie unwirklich sie gewesen war. Jetzt empfand ich das Gegenteil. Es war eine Ironie des Schicksals, ein grausames Paradox. Die Frau, die lebendig wie eine ausgeschnittene Pappfigur, eine aufziehbare Puppe gewirkt hatte, sie war ganz plötzlich auf unheimliche Weise lebendig. Wahrscheinlich, weil ich ihr nie vorher so nah gewesen war. Jetzt sah ich, daß es ein paar Jahre her war, daß die Bilder gemacht wurden. Ich sah die noch dezenten Falten um die Mundwinkel, die etwas bitter verzogenen Lippen, die Plomben in den entblößten Backenzähnen, die dunklen Halbmonde unter den Augen und die feinen, aber deutlichen Furchen in ihrer Stirn, als hätte jemand sie ganz leicht mit einer Gabel in die Haut geritzt.
    Der Arzt, der ihren Arm hielt, hatte einen melancholischen Gesichtsausdruck, als hätten all die plötzlichen Todesfälle, die ihm begegnet waren, sich dort abgelagert, Schicht für Schicht. Er strich mit den Fingern an der Innenseite des bleichen Armes entlang und sah Muus an, der neben der Autotür in die Hocke gegangen war. Ich beugte mich noch weiter vor. Den Arm entlang lief eine Kette von blauen Punkten. Einige kleiner, andere größer. Es war keine schöne Kette. Es war ein Schmuckstück, nach dem nur wenige trachteten, aber wenn du es erst hattest, dann wurde es teurer und teurer. Zum Schluß verkaufte man es nur noch

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