Das Haus mit der grünen Tür
unterscheiden muß zwischen den Süchtigen und denen, die die Süchtigen süchtig hielten, die sie ausnutzten, den wirklich großen Fischen. Tja, viele von denen, die dafür arbeiten, den Abhängigen zu helfen, sind selbst einmal abhängig gewesen. Margrete war eine von ihnen.«
Ich dachte, daß es nur so krachte. Ich sah die tote Frau in dem Auto vor mir. Die Hand des Arztes um ihren Arm. Den Reißverschluß aus blauen Einstichmalen. Keine alten, sondern frische, blaue Male. Ich sagte: »Deine Frau hatte frische Einstichmale am Arm, Moberg.«
Moberg sah mich mit müder Herablassung an. Er sah auf die Uhr, zur Tür, und wieder zu mir. »Ehrlich, Veum. Ich kaue nicht diese ganze Hühnerscheiße mit dir noch mal durch. Das Gerede mit den Eseln unten auf der Wache hat gereicht. Hast du mal gehört, wie Süchtige entwöhnt werden? Du weißt, daß es eine Tortur ist? Daß die Leute später noch jahrelang an den Nachwehen leiden? Daß es Stoffe gibt, die ihnen fehlen, Stoffe, die sie brauchen? Margrete bekam Vitaminspritzen, zwei- bis dreimal die Woche. Vitaminspritzen, Veum. Margrete war nicht süchtig, und genau dieses schmutzige Gerede wollte ich verhindern, jetzt wo sie – tot ist.« Er sprach die letzten Worte aus, als ob er nicht richtig daran glaubte, oder als sei ihm der Inhalt noch nicht ganz klar geworden.
Die Tür hinter mir ging auf. Hilde Varde sagte: »Fünf Minuten, Moberg.« Es überraschte mich, daß sie ihn nicht William nannte, aber wahrscheinlich nahm sie Rücksicht auf mich.
Moberg sah mich an. Ich sagte: »Noch fünf Minuten.«
Er stand auf. »Fünf Minuten, und das war’s. Die Zeit ist um, Veum. Und du hast sie schlecht genutzt.«
»Ich bin noch nicht fertig. Was ist mit der Sache, wegen der du mich das erste Mal herbestellt hast? Darüber müssen wir auch reden. Über –«
Er hob eine Hand und sah müde die Sekretärin an. »Der Mann quasselt wie ein Politiker. Gib uns noch fünf Minuten, Hilde.«
Sie schwebte hinaus und hinterließ einen Duft von Parfüm, der schwach an Rasierwasser erinnerte. Frisch und säuerlich.
Ich sagte: »Ihre Frau hatte einen Liebhaber. Er hieß Stein Wang und hatte eine Wohnung im Zentrum gemietet.« Ich gab ihm die Adresse und sah sein Gesicht zu einer Maske erstarren. »Sie besuchte ihn mehrmals in der Woche. Zuletzt an dem Abend, an dem sie ermordet wurde. Bevor sie dich abholte und nach Flesland fuhr. Verstehst du, was ich sage: Sie kam direkt aus dem Bett des Liebhabers und brachte dich zum Flugzeug nach Stavanger. Ich bin ihr nach Hause gefolgt, und sie bekam jedenfalls vor zwölf keinen Besuch mehr. Aber das war das letzte Mal, daß jemand anders als der Mörder sie lebend gesehen hat, Moberg. Du am Flughafen – und ich, als ich ihr nach Hause folgte. Der nächste, der sie besuchte, der nächste, der sie sah – war der Mörder. Und etwas sagt mir, daß es der heimliche Liebhaber war.«
»Aber – aber – du hast doch gesagt, es sei niemand gekommen – und weshalb war sie im Auto?« Ich sah, daß meine Worte Eindruck gemacht hatten.
»Hör zu, Moberg. Wie klingt das: Sie ist eine Nacht allein zu Hause, und sie kommt direkt vom Liebhaber. Vielleicht konnte der Liebhaber nicht vor Mitternacht kommen, vielleicht kam er so spät. Vielleicht war er selbst verheiratet und hatte Verpflichtungen anderswo. Vielleicht blieb er so lange, daß kein Bus mehr ging – das muß so gewesen sein – nach unserem Zeitplan – und ein Taxi wäre zu auffällig gewesen. Vielleicht wollte sie ihn nach Hause fahren. Und vielleicht hatten sie sich gestritten. Oder vielleicht hatte er es die ganze Zeit so geplant. Vielleicht wurde sie ihm zu anspruchsvoll, vielleicht wollte sie, daß er sich scheiden ließe, vielleicht wollte sie sich scheiden lassen, vielleicht wollte er nicht, vielleicht, vielleicht, vielleicht. Jedenfalls gehen sie zur Garage hinunter. Sie setzen sich ins Auto. Sie streiten sich weiter. Er sieht rot. Er packt sie um den Hals. Er drückt zu …« Ich hob die Arme. »Was weiß ich.«
Er zeigte jetzt deutliches Interesse. Er nahm den Telefonhörer, drückte eine Nummer und sagte. »Hilde, es dauert etwas länger als vorgesehen. Wir wollen nicht gestört werden – von niemandem. Verstanden!«
»In Ordnung«, hörte ich ihre Stimme durchs Telefon sagen, und wir waren wieder allein.
Moberg sagte: »Das hört sich gar nicht so dumm an, Veum. Aber – wer ist der Liebhaber?«
»Stein Wang?« Ich zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich ein Pseudonym. Aber
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