Das Haus mit der grünen Tür
Ich drückte sie ganz vorsichtig nach unten, während ich den Atem anhielt. Diese Tür war unverschlossen. Ich öffnete sie, langsam.
Im Raum dahinter war es dunkel. Ich huschte hinein und schloß die Tür hinter mir. Ich ging ein Stück in den Raum hinein und sah mich um. Ich sah nach links, und ich sah nach rechts. Und dann gefror ich zu Eis. In der Mitte der Wand zur rechten war eine Tür. Und ich war nicht mehr allein. Vor der Tür stand ein Mann und sah mich an. Er hielt etwas in der Hand. Es zeigte direkt auf mich.
28
Der Mann war nicht häßlich. Er war dem Anlaß entsprechend einfach gekleidet: schwarzer, gestrickter Rollkragenpullover, Jeansjacke, Jeanshose und Turnschuhe. Das Haar war blond und halblang. Nicht so lang, daß man Tulpen darin pflanzen konnte. Aber auch nicht so kurz, daß man sich die Zähne damit putzen würde. Was er in der Hand hielt, war eine Taschenlampe.
Es vergingen ein paar Sekunden, bevor mir klar wurde, daß ich auf mein eigenes Spiegelbild starrte.
Es war ein Riesenspiegel. Er reichte von der Decke bis zum Boden. Aber er hatte sicher seine Funktion. Zwischen dem Spiegel und mir stand ein gigantisches, quadratisches Bett, mit einem schwarzen Bettüberwurf.
Überhaupt wurde der ganze Raum von Schwarz dominiert. Die Gardinen vor den Fenstern waren schwarz und undurchdringlich. Ich ließ meine Taschenlampe die Wände entlang leuchten. Sie waren schwarz. Es hingen einige vergrößerte Fotos daran. Alle waren Variationen zum selben Thema. Es waren Farbfotos. Die Frauen trugen schwarze Unterwäsche – Korsetts, Slips und BHs, ab und zu nur Slip und ab und zu nur Korsett. Sie trugen lange, hochhackige schwarze Stiefel, und zwischen den Fingern, den Zähnen oder auch anderen, höchst dekorativen Körperteilen, hatten sie eine lange, schwarze Peitsche. Das einzige, was die Frauen voneinander unterschied, war die Haarfarbe: rot und schwarz und weiß und blond und gelb. Und ein paar Zwischenfarben.
An einer Wand stand ein großer, schwarzer Schrank. Ich öffnete ihn. An der Innenseite beider Türen waren weitere Spiegel. An den Innenwänden hing ein beachtliches Sortiment verschiedener Peitschen, neunschwänziger Katzen, ein paar ungemütliche Eisenkugeln mit Stacheln und ein paar andere, sorgfältig ausgewählte Folterinstrumente. An einem Set von Totenköpfen (aus Plastik, wie ich feststellte) hing eine Auswahl von Perücken, die mir bekannt vorkamen: rot und schwarz und weiß und blond und gelb. Das führte mich zurück zu den Bildern an den Wänden. Ich betrachtete sie erneut, und jetzt sah ich, daß die Gesichtszüge unter den Perücken immer dieselben waren. Es war meine alte Freundin, Rigmor Moe.
Ich stellte mich mitten in den Raum und sah mich um. Hier verbrachte also Rigmor Moe einen Teil ihrer Freizeit. Hier war sie Priesterin für ein paar kurze Abendstunden, für einen kleinen Extraverdienst. In einer schwarz-goldenen Grabkammer verteilte sie Lust und Schmerzen an ihre Kunden – zu deren Freude und vermutlich auch zu ihrer.
Ich erschauderte leicht.
Ohne mich noch weiter umzusehen, verließ ich Rigmor Moes heimliche Domäne.
Der andere Raum – das Zimmer der mysteriösen Randi – war freundlicher, sonst aber fast identisch. Hier gab es keine schwarzen, grausigen Gegenstände. Statt dessen gab es Rosa und Weiß und Plüsch, daß einem schlecht werden konnte. Der große Spiegel war mit kleinen Plastikherzen übersät, und auch das große Bett hatte die Form eines Herzens. Es war voller Rüschen und kleinen, herzallerliebsten Pompons und einer unendlichen Menge von Kissen. Der große Schrank enthielt die gleichen offenherzigen Kostüme wie der im Zimmer nebenan, aber auch diese waren freundlicher, niedlicher, schnuckeliger. Ich brauchte mir nicht einmal die Bilder anzusehen, die hier die Wände schmückten, um mir denken zu können, wie Randi aussah. Sie war ein molliger kleiner Lockenkopf mit Konfektspeck an Brüsten und Bauch und dem verheißungsvollen Charme, den füllige Mädchen oft haben. Ein pummeliges kleines Häschen, das gern in weichen Betten lag mit einem rosa Frauenroman und einer Konfektschachtel in Reichweite. Eine Nacht mit ihr würde sein, wie sich an Sahnebaisers zu überfressen: Es war wunderbar, so lange es dauerte, aber Herrgott, wie schlecht war dir am Tag danach. Die Gesichtszüge von Randi sagten mir nichts. Wir waren einander noch nicht vorgestellt worden.
Ich hatte genug gesehen. Ich öffnete die Tür zum Korridor und verließ den Raum. Zu
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