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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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gearbeitet. Magnus sagte, ich sollte wählen zwischen meiner Arbeit und – ihm. Er verlangte die Scheidung. Er könnte keine Kinder haben mit einer Frau, die nicht zu Hause bleiben wollte, sagte er. Er ist jetzt wieder verheiratet. Mit einem netten Mädchen. Sie sammelt Rezepte und bekommt Kinder und ist Magnus’ nette hübsche Frau – sie ist netter als die vorige, findest du nicht auch?«
    »Iß dein Huhn«, sagte ich. »Es wird kalt.«
    Sie lächelte wieder – ein strahlendes Lächeln. Sie sagte: »Aber jetzt habe ich so lange geredet. Jetzt bist du dran. Erzähl mal: Wie wird man Detektiv?«
    Ich sagte: »Nach dem Abitur und dem Militär war ich ein paar Jahre auf See. Als ich zurückkam, studierte ich so drei, vier Semester Jura und brach dann ab. Ich ging auf die Fachhochschule für Sozialwesen und arbeitete ein paar Jahre beim Jugendamt, mit dem Spezialgebiet ›Betreuung von Drogenabhängigen‹. Weil ich nach und nach die Szene gut kannte, arbeitete ich häufig mit dem Rauschgiftdezernat zusammen – und auch mit der Kripo. Dann – passierte etwas, und ich machte mich selbständig.«
    »Du hörtest auf beim Jugendamt?«
    »Ich hörte auf.«
    »Warum?«
    Ich sah sie an. »Ein Dealer – kam mir in die Quere.«
    Sie erwiderte meinen Blick, ohne etwas zu sagen.
    Ich fuhr fort: »In vieler Hinsicht machte ich da weiter, wo ich aufgehört hatte. Ich suche immer noch nach Kindern, die von zu Hause ausgerissen sind, und bringe sie wieder nach Hause. Ich rede mit ihnen. Und ich bringe sie nach Hause. Ich weiß nicht immer, wohin ich sie zurückbringe, aber ich bringe sie zurück. Dafür werde ich bezahlt.«
    »Aber erreichst du etwas – bei diesen Kindern?«
    Ich sagte: »Ich weiß nicht, was du damit meinst. Ich war fünfmal in Kopenhagen und hab Kinder da aus der Drogenszene geholt. Eine von ihnen ist tot. Sie hat sich umgebracht. Aus dem vierten Stock gesprungen. Eine andere ist todkrank, durch das Gift. Sie braucht eine neue Leber, aber es stehen viele andere vor ihr in der Schlange und warten. Zwei von ihnen machen jetzt einen Entzug. Es ist wie im Lotto: Man kann gewinnen, oder man hat gar nichts. Und eine ist ganz geheilt. Sie hat einen Freund, ein netter Kerl. Und sie hat wieder angefangen zu arbeiten. Das ist vielleicht kein tolles Ergebnis. Aber es ist jedenfalls besser als gar nichts. Besser als irgendwo in einem Büro zu sitzen und Formulare auszufüllen.«
    Sie nickte, stumm.
    Nach einer Weile sagte sie mit einem traurigen, schiefen Lächeln: »Dann hast du also eine Aufgabe im Leben …«
    Wir hatten eine neue Flasche Rotwein bestellt. Der Kellner ließ mich auch diesen probieren. »Vielleicht ein bißchen viel Regen im September in dem Jahr?« sagte ich. Diesmal lächelte er offen.
    Dann tanzten wir. Ihr Haar roch nicht nach Schnee. Es roch nach Leopard: Katzentier auf Jagd. Sie war leicht wie eine Feder in meinen Armen, und sie verhinderte geschickt, daß ich ihr auf die Zehen trat. Das Orchester – es bestand aus fünf dunklen Typen mit Schnauzern und lila Jacketts – spielte »Moonlight Serenade«, und wir waren enge Freunde geworden.
    »Varg«, sagte sie lächelnd an meinem Hals. »Mit dem Namen könntest du kleine Kinder erschrecken.«
    Ich sagte: »Mein Vater wünschte sich ein Mädchen. Und da beschloß er, mir einen Streich zu spielen.«
    Die Blondine am Nebentisch hatte angefangen, mit ihrem Finger im Rotweinglas herumzurühren. Der Mann mit dem verkniffenen Mund war längst an die Bar gegangen. Ein Mann mit rotem Gesicht und glänzender Platte forderte sie zum Tanzen auf. Sie wies ihn unhöflich ab.
    Ich sagte: »Wir könnten zu mir nach Hause gehen – auf einen Drink?«
    Sie lächelte ihr Katzenlächeln. »Was hast du anzubieten?«
    Ich tat, als würde ich nachdenken. »Ah – Aquavit und – Aquavit – und …«
    »Aquavit?«
    »Vielleicht noch einen kleinen Rest Wodka. Und ich habe eine prachtvolle Aussicht«, fügte ich hinzu.
    »Und er hat eine prachtvolle Aussicht«, sagte sie. Sie sah aus, als dächte sie nach. »Okay«, sagte sie – und lächelte. Und die Sonne ging unter, über dem Schnee auf dem Kilimandscharo.
    Ich dankte den Jungs auf der M/S Bolero für all die Pokerstunden, als der Kellner mit der Rechnung kam. Ich bezahlte, wie ich hoffte, mit einem Pokerface.
    Draußen in der Garderobe schlüpfte sie in den Pelz, den ich ihr hielt, als sei sie darin zu Hause.
    Ich hatte zuviel getrunken, um nach Hause zu fahren. Ich bestellte ein Taxi.
    Wir saßen zurückgelehnt im

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