Das Haus mit der grünen Tür
habe. Oh, Gott!« Sie gähnte und beendete die Mahlzeit. Dann stand sie auf und verließ die Küche, ohne daß ich ein Wort sagen konnte.
Ich machte keinen Versuch, ihr zu folgen. In solchen Situationen ziehe ich es vor, meinen Stolz zu bewahren. Ich aß mein Frühstück allein, und es war wirklich erstklassig.
Als sie wiederkam, hatte sie ihren Pelz schon an und war fertig zum Gehen. Sie sagte: »Glaub bloß nicht, daß ich wegen deiner blauen Augen mitgekommen bin, Varg Veum. Glaub bloß nicht, daß ich mitgekommen bin, weil du so verdammt unwiderstehlich wärst. Ich bin mitgekommen, weil ich eine Nummer brauchte, und die hab ich gekriegt. Es war nicht gerade umwerfend, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Also tschüs dann, Varg Veum. Bis dann einmal … vielleicht.«
Damit ging sie.
»See you later, alligator«, sagte ich zu der geschlossenen Tür.
Das ist es, was ich an den modernen Mädchen nicht mag: Sie lassen dir nie deine dämlichen alten Illusionen.
Also gut, sei’s drum, vielleicht war ich nicht der allergrößte Frauenbezwinger. Aber ich kriegte ein gutes Frühstück zustande. Und im Augenblick war das genug, für mich.
37
Es war Samstagmorgen. Es war sicher nicht die beste Zeit, um Leute zu besuchen, die man noch nie gesehen hatte und die sich auch sicher nicht besonders über den Besuch freuen würden. Aber ich wollte alle Mosaiksteine zusammenhaben – so bald wie möglich.
Ich fand eine Reihe von Leuten im Telefonbuch, die Gran hießen, aber nur eine, die Grande hieß. Liv Grande. Ich setzte auf mein Spielglück und fuhr zu der Adresse aus dem Telefonbuch, einem doppelstöckigen Haus auf Fløyenbakken.
Der Junge, der mir öffnete, paßte zu der Beschreibung. Er hatte helles Haar, das ihm wirr in die Stirn fiel, und sein hübsches Gesicht hatte einen babyhaften Ausdruck. Er trug gebleichte Jeans und ein engsitzendes blaues T-Shirt, das die muskulösen Arme betonte, die breite Brust und den flachen, harten Bauch. Etwas sagte mir, daß ich größere Probleme haben würde, diesen Kerl auf den Rücken zu legen als Teddy Lund.
Ich sagte, wer ich war, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiente, und fragte, ob seine Mutter in Reichweite sei. »Ja, denn Ihre Mutter ist doch die ehemalige Frau Moberg, oder?«
Er nickte mürrisch und fragte, ob ich nicht noch genauer sagen könnte, worum es ging. Ich sagte, ich wolle am liebsten mit seiner Mutter sprechen. Dann schloß er die Tür wieder vor meiner Nase, und ich stand da und sah über Store Lungegårdavann. Die Boote waren für den Winter an Land gekrochen, und unten beim Florida-Krankenhaus führte eine große, breite Straße ins Wasser. Das sollte die neue Nygårdsbrücke werden, das Bindeglied zwischen dem Verkehrsknotenpunkt Danmarksplass und dem kompakten Verkehrschaos beim Busterminal. Es würde eine Brücke zwischen Extremen werden, zwischen wohlregulierter Zukunft und widerstreitender Vergangenheit: eine Kollision zwischen zwei Epochen, und keine schöne. Ich seufzte und ließ den Blick an Løvstakken hinaufgleiten. Ein Symbol für das ewig Unveränderliche: die Berge.
Die Tür ging wieder auf, und der junge Mann führte mich ins Haus und eine Treppe hinauf.
Frau Moberg – die sich jetzt Frau Grande nannte – saß noch immer am Frühstückstisch. Sie war klein und drahtig und hatte Haare, die einmal braun gewesen waren, aber jetzt graue bis weiße Flecken hatten. Ihr Gesicht war rund und hätte vielleicht burschikos wirken können, aber der grimmige Zug um den Mund verriet, daß mit ihr sicher nicht gut Kirschen essen war. Sie saß in einem Wohnzimmer mit weißen Wänden, mit dem Rücken zur Verandatür. Die Tür war geschlossen. Wenn man sie öffnete, führte sie auf eine recht große Veranda, wo man an stillen Sommertagen gemütlich frühstücken konnte.
Frau Grande legte eine halbgegessene Scheibe Weißbrot wieder hin, mit einer Miene, als sei es ein Kissen mit Kronjuwelen. Sie hob den Blick bis zu meinem Hals, konstatierte mit Genugtuung, daß ich mich bei der Morgenrasur geschnitten hatte, und fragte, was ich wolle. Ihr Sohn – den sie als Peter Grande vorstellte, mit der Betonung auf Grande – flegelte sich in einen anderen Sessel und rührte geräuschvoll in einer Kaffeetasse.
Ich sagte: »Ich untersuche den Mord an Frau – an der jetzigen – das heißt – an der vor kurzem verstorbenen –«
»Sprechen Sie sich aus, junger Mann.« Ihre Stimme war dunkel und tief.
»An der letzten Frau Moberg, der neuen Frau Ihres
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