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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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ich glaube nicht.«
    »Er war Mobergs Klient – vor vier, fünf Jahren.«
    »Das war vor meiner Zeit. Ich bin erst ungefähr zwei Jahre da.«
    Ich nickte.
    Sie sagte: »Aber ich gehe davon aus, daß du mich nicht zum Zwecke eines Kreuzverhörs hierher gelockt hast? Oder hast du schon aufgegeben?«
    Ich lächelte in die Dunkelheit. »Nein. Noch nicht.« Dann ging ich zum Bett zurück.
    Später lag ich im Dunkeln und hörte, wie ihr Atem neben mir regelmäßig wurde.
    Ich lag da und dachte an die drei Frauen, denen ich an diesem Tag begegnet war.
    Ich dachte an das drogensüchtige junge Mädchen, an den Hunger in ihren Augen, an die schamlosen Angebote und die Dankbarkeit, nachdem sie ihr Gift bekommen hatte. Ich dachte an die halbtoten Augen, an den langen, schmerzvollen Weg, der vor ihr lag. Ein langer, schmerzvoller Weg – oder auch ein baldiger Tod.
    Ich dachte an Rigmor Moe, wie sie mit dem Rücken zum Spülbecken stand, und an die kleine Beate mit Brotkrümeln und Milchbart um den Mund, und an das grelle Licht von der Lampe über ihnen. Und an die andere Rigmor Moe, in schwarzen Kleidern und mit Lederpeitsche in der Hand, mit rotem und schwarzem und blondem Haar …
    Ich dachte an Hilde Varde. Den Schnee auf dem Kilimandscharo, der so schnell geschmolzen war. Eine kleine Frau im Bett neben mir, mit halboffenem Mund und schon vom Schlaf feuchten Mundwinkeln.
    Und ich dachte an Varg Veum. Ich dachte an das, was einen Mann wie Varg Veum zu diesen Frauen führte. Ich dachte an die tote Margrete Moberg, in einem roten Opel Kadett, mit einem blauen Streifen um den Hals und einer Kette von blauen Einstichstellen den Arm hinauf.
    Und langsam fiel ich in Schlaf, einen grauen, unruhigen Schlaf, der mich von Frauengesicht zu Frauengesicht hetzte, ohne mich bei einer von ihnen zur Ruhe kommen zu lassen.

36
    Es war ein gelungener Frühstückstisch. Der Kaffee war schwarz wie Teer und schmeckte wie ein Septembermorgen im Hochfjell. Die Eier waren genau richtig, mit Dottern wie vergessene Sommermorgen. Das Brot war frisch getoastet und kroß, die Butter weich und goldgelb und die Schafswurst so frisch, daß man glauben konnte, das Schaf sei noch gestern durch die Heide gelaufen. Die Erdbeermarmelade war strahlend rot und nicht zu süß, und die Apfelsinenmarmelade regte den Appetit an, genau wie sie es sollte: Man schmierte sich gleich noch eine weitere Scheibe.
    Es war ein gelungener Frühstückstisch, aber es war kein gelungenes Frühstück. Hilde Varde war keine Freundin schöner Frühstückstische. Für Hilde Varde war ein guter Morgen ein schlechter Morgen. Für Hilde Varde fing der Tag erst an, ein guter zu werden, wenn es auf halb zwölf zuging. Sie hing geradezu über einer trockenen Scheibe Brot, den moralischen Kater wie eine fette Schicht Frostcreme im Gesicht. Sie mochte keine Apfelsinenmarmelade, und von Erdbeermarmelade bekam sie Ausschlag. Von der Schafswurst hatte sie als Kind zuviel essen müssen, und von Ei wurde ihr schlecht. Butter aß sie so wenig wie möglich, von Kaffee mußte sie sauer aufstoßen, und Milch trank sie nur bei traurigen Anlässen. Also trank sie Milch.
    Die Milch war kalt und weiß und frisch, und sie trank zwei Gläser. Und sie aß noch eine trockene Scheibe Brot, mit einer hauchdünnen Schicht Butter.
    Sie ließ mich nicht zu Wort kommen. Sie sagte: »Ist der große Charmeur zufrieden? Der Jäger betrachtet seine Beute und lächelt?«
    Ich sagte: »Ich –«
    »Alle Männer sind gleich. Sie laden ein Mädchen zu Essen und Wein ein und zu sich nach Hause, um die Aussicht zu bewundern. Und sie sind nur auf eines aus. Immer dieselbe alte Sache.«
    Ich sagte: »Aber –«
    »Und dann flößt ihr uns so viel Wein ein, daß wir nicht in der Lage sind, nein zu sagen. Und am nächsten Morgen erwartet ihr, daß wir wie neugeborene Najaden aus den Federn springen und fröhlich zwitschernd von dem großartigen Orgasmus erzählen, dem heiligen, dem einzigen, dem …«
    Sie suchte nach Worten. Es war ein Schauspiel. Ich versuchte, etwas zu sagen. Ich sagte: »Aber hör mal –«
    »Und du bist so ein moderner Mann-Mann, der gern mit der Schürze vor dem Heiligsten und strubbeligem Haar und geröteten Wangen durch die Gegend tanzt, während du ein leckeres Gericht nach dem anderen hervorzauberst, und dann sitzt du hier mit halboffenem Morgenmantel und Haar auf der Brust und glaubst, du wärst der tollste Typ, den die Welt seit Marlon Brando gesehen hat. Oh, Gott, wie viele solche Typen ich gesehen

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