Das Haus mit der grünen Tür
sagte: »Komm zu mir zurück, Beate! Komm zurück.«
Sie stöhnte: »Aber Varg …«
»Es wird alles besser, alles wird anders, ich werde, ich brauche dich …«
Dann wurde ihr Gesicht so wie immer, wenn wir uns gestritten hatten. Der Mund zog sich zusammen wie ein verschrumpeltes Stück Obst, und das ganze Gesicht schien sich um diesen verschrumpelten Mund zusammenzuziehen, als würde es zu einer riesigen, rot angelaufenen Faust, die jeden Augenblick in meinem Gesicht explodieren konnte. Dann kamen die Tränen, sprühten aus ihren Augen, und sie hob ihre wirklich geballten Fäuste, zitternd mit bleichen Knöcheln, und hielt sie sich vor den Mund, verbarg das verschrumpelte Stück Obst. Und die Schluchzer, die ganz tief aus ihrem Unterleib in ihr aufstiegen, kamen irgendwo in der Halsgrube heraus wie starke Krämpfe im Kehlkopf, wie Laute hinter einer dünnen Wand in einem hellhörigen Haus. Dann riß sie sich los, drehte sich auf dem Absatz um und lief weg von mir, dorthin zurück, woher sie gekommen war.
Ich blieb stehen. Ein paar Minuten vergingen. Dann kam ihr neuer Mann in den Vorflur heraus.
Beates neuer Mann war klapperdürr und sah aus wie ein verwachsener Schuljunge. Er mußte hinter dem Katheder lustig aussehen. Sein Haar war dunkel, halblang und etwas fettig, und es wurde langsam dünn. Er hatte es nach hinten gekämmt, so daß es im Nacken ein wenig herunterhing. Er trug eine Brille. Die Brille war ihm ein Stück die Nase heruntergerutscht, die fettig war und glatt von Schweiß. Er schob sie hoch, als er herauskam, und ich sah die Tintenflecken an seinen Fingern. Er hatte den Samstagabend damit verbracht, Stapel von Aufsätzen zu korrigieren. Es war bestimmt ein toller Abend gewesen.
Er trug einen schlabbrigen Morgenmantel, und darunter sah ich die Hosenbeine eines Pyjamas, den er sicher von seiner Mutter geschenkt bekommen hatte, als er vor bald zwanzig Jahren zum Militär ging.
Durch die Brillengläser wirkten seine Augen groß und flimmernd, und der Mund war schief und grimmig, als bereite er sich darauf vor, den einen Vortrag über den Untergang des Römerreiches hervorzukauen. Indem er so nah an mich herantrat, wie er sich aus Gründen des Anstands traute, sagte er. »Du bringst Beate schon wieder zum Weinen!«
Ich sah ihn an.
»Jedesmal – passiert das gleiche.«
»Nicht jedesmal.«
»Aber fast. Du bringst sie zum Weinen. Du kommst hier an, mit deiner ganzen schmutzigen und niederträchtigen Art, und zerstörst das Gleichgewicht in unserem Leben!«
»Schmutzig, niederträchtig«, sagte ich, mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Schmutzig und niederträchtig, ja. Als ihr verheiratet wart, sah sie dich nie, weil du unterwegs warst und hinter anderen Mädchen her. Je jünger, desto besser. Wenn du nach Hause kamst, legtest du ihr eine Platte nach der anderen auf, über deine Vortrefflichkeit, deinen Idealismus, deine hohe Meinung von dir selbst. Aber sie saß allein zu Hause – mit Thomas. Und jetzt, wo sie endlich zur Vernunft gekommen ist und dich verlassen hast, da kommst du hier an und bringst sie zum Weinen. Kannst du uns nicht endlich in Frieden lassen?«
Ich erinnerte ihn daran, daß ich das Recht hatte, meinen Sohn zu besuchen.
»Besuchsrecht, ja, dem Teufel sei’s gedankt. Aber kein Recht zu quälen! Tatsache ist, daß Thomas blaß und verspannt zurückkommt und nicht mit ihm zu reden ist bis irgendwann am Montag. Du solltest doch zufrieden sein: Jetzt hast du all deine Mädchen für dich – mußt nicht mehr zu deiner Frau nach Hause kommen!« Er schnitt eine Grimasse. »Doch, du bist schmutzig und niederträchtig, Veum …«
Ich hob abwehrend eine Hand und sagte: »Du irrst dich, Mann. Wenn das das Bild ist, das sie dir von mir gemalt hat, dann okay. Das ist ihre Sache. Aber du irrst dich. Ich bin nicht schmutzig und niederträchtig. Ich bin ein einfacher Mann, Wiik. Ich mag einfache und saubere Sachen. Ein einfaches, sauberes Fußballspiel, eine einfache und saubere Flasche Aquavit, ein einfaches und sauberes Mädchen. Einfache, gewöhnliche Dinge. Ein kleiner Junge, der mich zweimal im Monat an der Hand hält. Das ist nicht viel, Wiik, aber es ist einfach und es ist sauber.«
Er setzte an, um noch mehr zu sagen, aber die Tür zum Wohnzimmer ging auf, und Thomas kam wieder heraus. Er zog sich Jacke und Stiefel an und setzte eine Mütze auf, ohne etwas zu sagen, ohne daß man ihn ermahnen mußte. Dann kam er und stellte sich neben mich. »Gehen wir?« fragte er.
Ich nickte.
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