Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
Vom Netzwerk:
ist jetzt bei ihm.“
    „Seit wann?“
    „Er muß die ganze Nacht dort gewesen sein. Du kennst ihn. Er hätte niemanden gerufen, wenn er nicht sterben würde!“ Valleroy konnte sehen, daß sie mit den Tränen kämpfte.
    „Entran ist nicht so ernst.“
    Die Hände in die Hüften gestemmt, gab sie ein damenhaftes Schnauben von sich. „Pah! Wann hat das der Meister-Sectuib …“ – sie sah ihn von Kopf bis Fuß an – „… das letzte Mal durchgemacht?“
    „So wie ich arbeite, habe ich das gegenteilige Problem.“
    „Habe ich jemals die ganze Nacht wach sitzen müssen, um deine Hand zu halten?“
    „Du bist in einer schönen Stimmung heute morgen.“
    Valleroy konnte die unvergossenen Tränen in ihren Augen schwimmen sehen, und es machte ihn verlegen. Und wäre Klyd nicht in der Lage gewesen, auf diese eigenartige Weise in voller Öffentlichkeit eine Insel der Intimität zu schaffen, wäre er auf Zehenspitzen aus der heißen häuslichen Szene geschlichen. Aber andererseits war Zeor einer großen, streitbaren Familie sehr ähnlich.
    Nachdem Yenava den Atem angehalten hatte, so lange sie konnte, platzte sie hervor: „Was für ein Morgen! Erst Feleho und jetzt Großvater …“
    „Er wird nicht sterben. Denrau ist vollkommen tauglich.“
    „Er würde Denrau nicht brauchen, wenn du ihn hin und wieder ein bißchen arbeiten lassen würdest.“
    Klyd brachte eine mangelhafte Geduld auf, verlagerte seinen Schnellhefter in drei Tentakel und legte ihr die Hände auf die Schultern, während er mit den Tentakeln seines anderen Arms ihr Kinn hochhob. Zwei Tränenrinnsale wanderten über ihre Wangen hinunter, als er sagte: „Naavina, du weißt genausogut wie ich, daß es keine Frage des »Lassens« ist. Wir müssen uns dem hier früher oder später stellen. Er ist alt, zu alt, als daß ihm die Spender anvertraut werden könnten. Und was die Ambulanzbetreuung angeht – seine Sensibilität ist so niedrig, daß er nicht in der Lage wäre, auch nur irgend jemand zu befriedigen. Er hat für Zeor alles getan, was er tun konnte. Jetzt ist Zeor an der Reihe, dasselbe für ihn zu tun.“
    Einen Augenblick lang dachte Valleroy, sie würde das akzeptieren. Aber dann schleuderte sie den Ordner, den sie getragen hatte, auf den Boden vor Klyds Füße und riß sich aus seinem Griff frei. „Du … gefühlloses … Tier!“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stürmte sie in die Kolonnade hinaus und war verschwunden.
    Klyd teilte die Vorhänge, die sie hinter sich hatte hin und her schwingen lassen, und rief ihr nach: „Du bist müde. Ruh dich lieber ein bißchen aus!“ Er stand unter dem Torbogen und starrte ihr nach, als sei er unentschlossen, ob er bleiben oder ihr folgen sollte.
    Valleroy, der wünschte, er wäre nicht mitgekommen, kniete sich hin, um die Papiere einzusammeln, die sich aus ihrem Ordner verstreut hatten. Es waren Bilder. Eine Reihe von Zeichnungen, von Schulkindern gemalt. Sorgfältige Beschriftungen auf jeder einzelnen machten deutlich, daß dies Genesungswünsche von einer Klasse in Zeor-Geschichte waren.
    Jede der sechzig Zeichnungen stellte ein Ereignis aus Großvaters Zeit als Oberhaupt von Zeor dar. Da war eine Schlacht zu sehen, Gemetzel und Zerstörung, abgebildet mit einer unverblümten Detailtreue, die den Kindern, die Valleroy bisher gekannt hatte, fremd gewesen war. Da gab es eine Hochzeitsszene, Feierlichkeiten, die Einweihung eines neuen Gebäudes, das Portrait von einer Abtrennfeier, das Diagramm eines Familienstammbaums, sogar eine Collage von Erinnerungen.
    Als sich Klyd von der Kolonnade abwandte, klopfte Valleroy die Papiere zu einem ordentlichen Stapel und schob sie wieder in den Ordner. „Ich denke, die sollen für Großvater sein.“
    Klyd blätterte sie gedankenabwesend durch und nickte. Dann steckte er sie zu dem anderen Schnellhefter unter den Arm. Valleroy fragte: „Ist er wirklich so krank?“
    „Ich vertraue Denrau. Aber in Großvaters Alter kann jede Kleinigkeit …“
    Als Klyd nicht weitersprach, sagte Valleroy: „Was ist Entran?“
    Als sei er froh, darauf eine sachliche Antwort geben zu können, erwiderte er: „Der Kanal hat Nervensysteme, die beim gewöhnlichen Sime fehlen. Es sind jene, die bei den Selyn-Transfer-Techniken verwendet werden. Wenn diese Systeme nicht richtig trainiert werden, können sie sehr … schmerzhafte Krämpfe hervorrufen. Entran ist nicht tödlich, aber die Krämpfe können es sein.“
    „Und dein Großvater kann diese Systeme nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher