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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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sprechen hörten, oder warum sie sich mit weit aufgerissenen Augen zu mir umdrehten, als wäre ich eine Gefahr. Es war mir vergällt, in Läden oder Cafés zu sprechen, und ich deutete stattdessen lieber auf das von mir Gewünschte und hoffte, die Bedienung würde kein Gespräch mit mir anknüpfen wollen. Und wenn wir zur Abwechslung einmal nicht im Luftschutzbunker saßen, verbrachten Soja und ich unsere Abende lieber zu Hause, wo wir uns ungestört unterhalten konnten, ohne die einschüchternden Blicke von Fremden ertragen zu müssen.
    Gegen Ende des Jahres 1941 befand ich mich nach einem langen und schweren Tag auf dem Heimweg, in einer noch gedrückteren Stimmung als sonst. Die Frau, die Tochter und die Schwiegermutter meines Vorgesetzten, Mr Trevors, waren in der Nacht zuvor ums Leben gekommen, als sein Haus von einer verirrten Bombe getroffen wurde, die ein weit von seinem Kurs abgekommenes Flugzeug der Luftwaffe über London abgeworfen hatte. Es war das größte überhaupt vorstellbare Pech – alle anderen Häuser in der Straße hatten nicht einen Kratzer abbekommen –, und Mr Trevors war völlig niedergeschmettert angesichts dieser Tragödie. Am späten Nachmittag kam er in der Bibliothek, ohne von uns Notiz zu nehmen, und wenig später hörten wir laute Schreie aus seinem Büro. Als ich eintrat, saß der bedauernswerte Mann mit einem Ausdruck tiefster Verzweiflung hinter seinem Schreibtisch und begann zu schluchzen, als ich versuchte, ihn zu trösten. Miss Simpson folgte mir ein paar Minuten später und überraschte mich, indem sie die Situation sofort meisterte und Mr Trevors zur Beruhigung etwas Whisky einflößte, den sie wer weiß wo aufgetrieben hatte. Anschließend brachte sie ihn nach Hause und tat ihr Bestes, um ihm das bisschen Trost zu spenden, für den er in diesem fürchterlichen Moment empfänglich war.
    Noch immer von diesen Ereignissen mitgenommen, machte ich auf dem Heimweg etwas für mich völlig Untypisches und ging in einen Pub, denn ich musste unbedingt etwas trinken. Das Lokal war zu zwei Dritteln gefüllt, von zumeist älteren Männern jenseits des wehrfähigen Alters, von Frauen jeglichen Alters und von ein paar Soldaten in Uniform, die auf Heimaturlaub waren. Ich beachtete sie nicht weiter, sondern begab mich schnurstracks zur Theke und lehnte mich dagegen, froh über das bisschen Halt, das sie mir gewährte.
    »Bitte ein Pint Ale«, sagte ich zu dem Barmann, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, obwohl dies gewissermaßen das Stammlokal von Soja und mir war, auch wenn wir dort nur alle Jubeljahre einkehrten.
    »Was haben Sie gesagt?«, fragte er mich in einem aggressiven Tonfall, wobei er die Augen zusammenkniff und mich mit kaum verhohlener Verachtung musterte. Seine muskulösen Arme waren schwer zu übersehen, denn er hatte sich die Hemdärmel bis zum Bizeps hochgekrempelt, und unter den Aufschlägen lugte eine Tätowierung hervor.
    »Ich sagte, ich hätte gern ein Pint Ale«, erwiderte ich, und dieses Mal starrte er mich zehn oder vielleicht auch zwanzig Sekunden lang an, so als überlegte er, ob er mich zur Tür hinausbefördern solle, bevor er schließlich nickte und sich zu den Zapfhähnen bequemte, wo er ein Glas füllte, bis der Schaum überquoll, und es dann vor mir auf die Theke knallte.
    »Ist das nicht ein Bitter?«, fragte ich ihn, obwohl es natürlich klüger gewesen wäre, das Lokal einfach zu verlassen und nach Hause zu gehen. Für Notfälle wie diese hatte Soja nämlich immer ein paar Flaschen rationiertes Bier parat, die sie irgendwo in einem Schrank versteckt hielt.
    »Ein Pint Bitter«, sagte der Barmann. »Wie Sie es bestellt haben. Das macht dann sechs Pence, wenn ich bitten darf.«
    Jetzt war ich derjenige, der zögerte. Ich blickte auf das Glas, auf die Kondenswassertropfen, die verführerisch an seiner Außenseite hinabperlten, und kam zu dem Ergebnis, dass es die Sache nicht wert war. Das Stimmengewirr im Hintergrund hatte deutlich abgenommen, so als hofften die anderen Gäste, ich würde mich zu etwas hinreißen lassen, das womöglich eine Schlägerei provozierte.
    »Na schön«, sagte ich und legte das exakt abgezählte Kleingeld auf die Theke. »Und danke.« Ich nahm das Glas und setzte mich damit an einen freien Tisch, griff mir eine dort liegen gelassene Zeitung und überflog die Schlagzeilen.
    Die meisten Artikel behandelten natürlich den Krieg. Eine Reihe von Zitaten aus einer Rede, die Mr Churchill am Vortag in Birmingham gehalten hatte. Auszüge

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