Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
brach er prustend in Gelächter aus, in ein schallendes Lachen, das etwa eine Minute andauerte und mich in einen Zustand tiefster Verunsicherung stürzte. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht damit gerechnet, dem Kaiser an jenem Abend – oder überhaupt jemals – zu begegnen, und unser Treffen war mit so wenig Vorbereitung oder Formalitäten zustande gekommen, dass ich es noch immer nicht fassen konnte. Es schien, als wollte er mich auf Herz und Nieren prüfen, wegen meiner Anstellung, bei der mir nach wie vor unklar war, was es damit auf sich hatte, aber seine Fragen waren überlegt und vorsichtig, und er hörte sich jede meiner Antworten genau an, um ihnen dann weiter nachzugehen, als legte er es darauf an, mich bei einem Fehler zu ertappen. Und jetzt schüttelte er sich vor Lachen, so als hätte ich etwas wahnsinnig Komisches gesagt, doch mir fiel beim besten Willen nicht ein, was das gewesen sein könnte.
»Du siehst verwirrt aus, Georgi Daniilowitsch«, sagte er schließlich. Er hörte auf zu lachen und schenkte mir ein freundliches Lächeln.
»Das bin ich auch, jedenfalls ein bisschen«, sagte ich. »Habe ich vielleicht etwas Unpassendes gesagt?«
»Nein, nein«, erwiderte er mit einem Kopfschütteln. »Es ist nur die messerscharfe Logik deiner Antworten, die mich amüsiert. Das ist alles. Weil ich der Zar bin! Wer sollte ich denn sonst sein?«
»Ja, da habt Ihr recht, Euer Majestät.«
»Eine eigenartige Position, wie ich hinzufügen möchte«, sagte er, wobei er einen stählernen, mit Diamanten besetzten Brieföffner von seinem Schreibtisch nahm und diesen auf der Spitze vor sich hin und her balancierte. »Eines Tages werde ich dir vielleicht mehr erzählen. Doch zunächst einmal schulde ich dir meinen Dank.«
»Euren Dank?«, fragte ich, verblüfft, wie der Zar auf die Idee kommen konnte, jemandem wie mir irgendetwas zu schulden.
»Mein Vetter, der Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch. Du bist auf seine Empfehlung hier. Er hat mir erzählt, du hättest ihm bei einem Attentatsversuch das Leben gerettet.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das Ganze tatsächlich so schwerwiegend gewesen ist, Euer Majestät«, sagte ich, denn die Worte schienen mir ein wenig übertrieben, auch wenn sie aus dem Munde des Zaren kamen.
»Ach ja? Wie würdest du es denn nennen?«
Ich ließ mir die Sache kurz durch den Kopf gehen. »Also, der fragliche Junge. Kolek Borisowitsch. Ich kannte ihn von Kindesbeinen an. Es war bloß … es war ein dummer Fehler von ihm, versteht Ihr? Sein Vater hat feste Überzeugungen, und Kolek wollte Eindruck auf ihn machen.«
»Mein Vater war auch ein Mann von festen Überzeugungen, Georgi Daniilowitsch. Aber versuche ich deswegen, Menschen umzubringen?«
»Nein, Euer Majestät. Dafür habt Ihr ja Eure Armee.«
Sein Kopf schnellte nach oben, und er sah mich entgeistert an. Seine Augen waren angesichts meiner Impertinenz weit aufgerissen; ich war zutiefst darüber schockiert, dass ich etwas Derartiges gesagt hatte.
»Ich muss doch sehr bitten!«, sagte er, nachdem scheinbar eine Ewigkeit vergangen war.
»Euer Majestät«, sagte ich rasch, um die Wogen zu glätten, »ich habe mich versprochen. Ich wollte nur sagen, dass Kolek seinen Vater vergötterte. Das ist alles. Er wollte es ihm zu Gefallen tun.«
»Also war es sein Vater, der meinen Vetter tot sehen wollte? Dann sollte ich Soldaten losschicken, um ihn festnehmen zu lassen, oder?«
»Nur wenn jemand wegen der Gedanken in seinem Kopf festgenommen werden kann und nicht wegen der Taten, die er begangen hat«, sagte ich, denn wenn ich den Tod meines besten Freundes auf dem Gewissen hatte, so wollte ich verdammt sein, wenn nun auch noch das Blut seines Vaters an meinen Händen kleben sollte.
»Fürwahr«, sagte er nachdenklich. »Und nein, mein junger Freund, wegen solcher Dinge lassen wir niemanden festnehmen. Es sei denn, seine Gedanken führen zu konkreten Plänen. So ein Attentat ist eine schreckliche Sache. Es ist die feigeste Form des Protests.«
Dazu sagte ich nichts. Mir fiel nichts dazu ein.
»Ich war erst dreizehn, als mein eigener Großvater einem Attentat zum Opfer fiel, weißt du? Alexander II ., der Befreier-Zar, wie er genannt wurde. Der Mann, der den Leibeigenen die Freiheit schenkte, und dann haben sie ihn trotz seiner Großzügigkeit umgebracht. Ein Feigling warf eine Bombe in seine Kutsche, als er, nicht weit von hier entfernt, durch die Straßen fuhr, doch er überlebte die Explosion ohne einen Kratzer. Als er dann aus
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