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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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größer könnte er schon sein, und etwas mehr Fleisch auf den Knochen könnte auch nicht schaden, aber er ist trotzdem ein prima Junge. Er könnte genau derjenige sein, nach dem du suchst, als Aufpasser für den kleinen Alexei. Ja, das habe ich zu ihm gesagt, und es freut mich, dass er auf mich gehört hat.«
    »Ich bin Euch sehr dankbar, Euer Durchlaucht. Für die große Veränderung in meinen Lebensverhältnissen.«
    »Ja, ja«, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ist schon etwas anders als in diesem … wo haben wir uns noch mal kennengelernt?«
    »In Kaschin, Euer Durchlaucht.«
    »Ja, richtig, in Kaschin. Grässliches Kaff. Musste den Dummkopf aufknüpfen lassen, der auf mich geschossen hatte. Ich wollte das eigentlich gar nicht, denn er war ja noch ein Junge, aber für so einen Unfug gibt es keine Entschuldigung! Ich musste ein Exempel statuieren. Das verstehst du doch, oder?«
    Ich nickte, sagte aber kein Wort. Koleks Tod und die Rolle, die ich dabei gespielt hatte, waren etwas, an das ich nicht gern erinnert wurde, denn ich empfand schreckliche Gewissensbisse, wenn ich daran dachte, wie sehr ich davon profitiert hatte. Außerdem vermisste ich ihn.
    »Ein Freund von dir, nicht wahr?«, fragte der Großfürst nach einer Weile, denn er registrierte offenbar meine plötzliche Zurückhaltung.
    »Wir sind zusammen aufgewachsen«, sagte ich. »Mitunter hatte er seltsame Ansichten, aber ein schlechter Mensch war er nicht.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte er mit einem Achselzucken. »Er hat schließlich eine Pistole auf mich abgefeuert.«
    »Ja, Euer Durchlaucht.«
    »Nun, das gehört jetzt der Vergangenheit an. Das Überleben des Stärkeren und all das. Aber wo wir gerade davon sprechen, wo ist eigentlich der Zarewitsch? Solltest du nicht immer an seiner Seite sein?«
    »Ach, der ist draußen und spielt«, sagte ich und nickte in Richtung des kleinen Gehölzes, wo der Junge gerade irgendwelche Balken durch das Gras schleifte, um damit die Mauern seines Forts zu verstärken.
    »Und man kann ihn da hinten unbeaufsichtigt spielen lassen, ja?«, fragte der Großfürst, und ich kam nicht umhin, entnervt aufzuseufzen. Ich hatte inzwischen mehr als zwei Monate lang auf den Zarewitsch aufgepasst, und mir war noch nie ein Kind untergekommen, das dermaßen in Watte gepackt wurde wie er. Seine Eltern führten sich auf, als könnte er jeden Moment entzweibrechen. Und nun gab mir der Großfürst zu verstehen, dass man den Zarewitsch nicht allein lassen durfte, weil er sich sonst vielleicht verletzten könnte. Er ist doch noch ein Junge! , wollte ich ihnen manchmal laut zurufen. Ein Kind! Seid ihr denn nie Kinder gewesen?
    »Wenn Ihr es wünscht, gehe ich natürlich sofort zu ihm rüber«, erwiderte ich. »Ich bin nur kurz ins Haus gekommen, um …«
    »Nein, nein«, sagte er schnell, wobei er den Kopf schüttelte. »Du wirst schon wissen, was du tust. Es ist nicht meine Aufgabe, dem Domestiken eines anderen Mannes zu sagen, wie er seine Arbeit zu erledigen hat.«
    Mir sträubten sich ein wenig die Haare angesichts dieser Charakterisierung. Der Domestik des Zaren. War ich das? Ja, natürlich war ich das. Als einen freien Menschen konnte ich mich im Grunde nicht bezeichnen. Aber trotzdem war es nicht angenehm zu hören, wie diese Worte laut ausgesprochen wurden.
    »Und? Hast du dich schon eingewöhnt?«, fragte er mich.
    »Ja, Euer Durchlaucht«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Ich bin … nun, vielleicht ist es nicht der richtige Ausdruck, aber es macht mir sehr viel Spaß.«
    »Das ist genau der richtige Ausdruck, mein Junge«, sagte er, schniefte laut und schneuzte sich dann in ein riesiges weißes Taschentuch. »Es geht nichts über eine Arbeit, die einem Spaß macht. Da vergeht der Tag viel schneller. Und was macht eigentlich dein Arm?«, fragte er mich und schlug mir dabei dermaßen kräftig auf die Stelle, wo die Kugel eingedrungen war, dass ich mich gehörig zusammenreißen musste, um nicht vor Schmerz laut aufzuschreien oder zurückzuschlagen, eine Reaktion, die sicher schwerwiegende Konsequenzen nach sich gezogen hätte.
    »Dem geht es schon viel besser, Euer Durchlaucht«, erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Es ist eine Narbe geblieben, wie Ihr vorhergesagt habt, aber …«
    »Ein Mann sollte mindestens eine Narbe haben«, sagte er schnell. »Ich habe überall Narben. Mein Körper ist damit übersät. Nackt sehe ich aus, als hätte mich eine Katze mit ungeschnittenen Krallen

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