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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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– Wer sollte da nicht an die Ingwa-Wahrheit glauben, an das Gesetz von Ursache und Wirkung, daran, daß böse Taten Sühne verlangen, Verdienste aber Untaten aufwiegen können?

    Kobo, der Heilige

    IN URALTEN ZEITEN wanderte Kobo, der Heilige, durch das ganze weite Reich. Er trug die Kleider eines Wanderpriesters.
    Auf seinem Weg kam er auch in das Land Musashi. Es war ein sehr heißer Sommertag, als er das Land betrat. In einem der ersten Dörfer bat er um Wasser. Aber die Bäuerin gab ihm kein Wasser, sondern sagte: »Wir haben hier nur sehr wenig Wasser. Wir müssen jeden Tropfen mühsam vom Fluß ins Dorf heraufschaffen. Geh doch selber an den Fluß, dort findest du mehr Wasser, als du brauchst!« Kobo sagte kein Wort.
    Schweigend drehte er sich um und ging hinunter an den Fluß.
    Dort trank er sich satt. Als er fertig war, stieß er seinen Stab in die Erde und ging dann erst weiter. Seitdem gibt es rings um das Haus keinen Tropfen Wasser mehr, und man muß einen weiten und mühsamen Weg zurücklegen, wenn man Durst hat oder Wasser für den Haushalt holen will.

    Der Fluß Minasegawa fließt nahe am Haus vorbei. Aber er verschwindet siebenhundert Meter vorher in der Erde, und er fließt erst viele hundert Meter weiter unterhalb wieder offen in seinem Bett. Aber das war nicht das einzige Mal, daß Kobo abgewiesen wurde. In der Nähe von Aizu kam er einmal hungrig in ein kleines Dorf. Vor einem der ersten Häuser saß ein Bauer auf dem Boden und kochte frisch geerntete
    Kartoffeln. Kobo blieb vor ihm stehen und bat ihn um einige.
    Der Bauer wies ihn schroff ab, ja verspottete ihn und sagte:
    »Das sind keine Kartoffeln, wie man sie alle Tage bekommt.
    Das sind Steinkartoffeln. Die sind nichts für deine alten Zähne!« Wieder sagte Kobo, der Heilige, kein Wort. Er wandte sich ab und ging weiter. Seit der Zeit gibt es in der Gegend keine Kartoffeln, die man essen kann, denn sie sind alle steinhart.

    Der Guten und der Bösen Lohn

    HIROKUNI WAR Unterpräfekt des Gaues Miyako in dem
    japanischen Lande Buzen. Es war im zweiten Jahr der Freudenwolken (705 nach Christus), die Himmlische Majestät regierte damals die Welt vom Fujiwarapalast aus. Da starb Hirokuni plötzlich. Aber nach drei Tagen, am Tag des Hundes, zur Stunde des Affen, erwachte er wieder und erzählte: Zwei Boten kamen zu mir; der eine hatte die Haare hoch gebunden, der andere war nur ein kleiner Diener. Sie nahmen mich in die Mitte. Wir hatten nur zweimal gerastet, da standen wir vor einem mächtigen Strom, über den nur ein schmaler,
    vergoldeter Steg führte. Wir gingen hinüber und waren dort in einem merkwürdigen Reich. Ich fragte die Boten: »Was ist das für ein Reich?« Sie antworteten: »Das ist das Reich Tonan, das Reich, das im Süden liegt, das Reich der Toten.« Wir zogen weiter und kamen in die Hauptstadt, Acht schwerbewaffnete Amtsleute nahmen uns in Empfang. Sie führten uns in einen goldenen Palast, in dem ein König auf einem goldenen Thron saß. Er eröffnete mir: »Du bist hierher befohlen worden, weil deine Frau Gram redet.« Und sie brachten meine verstorbene Gattin. Acht Leute trieben sie vor sich her. In Ketten kam sie, schwer gefesselt, und in ihren Schädel waren von allen Seiten Eisennägel geschlagen, deren Spitzen auf der Gegenseite wieder herauskamen. Der König fragte: »Kennst du das Weib?« Ich antwortete: »Ja, sie war meine Frau.« Da fragte der König weiter: »Bist du dir einer Schuld bewußt? Weißt du, warum du verhört wirst?« Ich erwiderte: »Ich weiß von keiner Schuld.« Daraufhin fragte er die Frau, und sie sagte: »Ich kenne die Schuld; ich kenne sie in der Tat. Als ich im Sterben lag, schickte er mich weg, da trieb er mich aus dem Hause; darum bin ich so vergrämt und mißmutig, darum grolle ich ihm, darum hasse ich ihn.« Da fällte der König sein Urteil und sagte zu mir: »Du bist ohne Schuld. Kehre nach Hause zurück!
    Aber hüte dich, etwas von dem zu erzählen, was du hier an der gelben Quelle gesehen hast! Wenn du noch deinen Vater sehen willst, dann geh weiter nach Süden!« Und ich ging weiter, meinen Vater zu sehen. Er schlang seine Arme eng um eine glühende Kupfersäule, und siebenunddreißig Eisennägel waren in seinen Leib geschlagen. Er wurde dreimal am Tag mit einer eisernen Keule geschlagen und gemartert. Dreihundert Schläge erhielt er bei jedem Mal, also neunhundert an einem Tag. Als ich das sah, war ich sehr betrübt. Ich fragte ihn: »Was hast du denn verbrochen, daß du solche

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